MEMI Software-Test

 

AAS Lounge Lizard

E-Piano Plug-In

 

Hersteller/Vertrieb Art der Software erhältlich für Preis
Applied Acoustic Systems Virtuelles E-Piano Win: VST/DXi/stand alone € 199,-
RIDI Multimedia   Mac: VST/MAS/DirectConnect OS 9.x  

 

Ein "Spielzeug" und sein Emulator

Main ScreenDer Lounge Lizard ist eine als Standalone- oder VST-Instrument konzipierte Rhodes-Emulation von der Firma Applied Acoustics Systems, die vor allem für den Tassman bekannt ist. Wenn man ein original Rhodes schon mal gehört hat (und wer hat das nicht?), hat man automatisch eine bestimmte Erwartungshaltung: Warme, analoge 70s-Klänge, die auch heute noch immer frisch und neu klingen.

Das Fender Rhodes hatte aber nicht immer diesen Status des Klassikers unter den Musikinstrumenten. Man denke zum Beispiel an Musiker wie Herbie Hancock, der Ende der 60er Jahre bei Miles Davis akustisches Piano spielte. Als Herbie eines Tages zu Aufnahmen ins Studio kam, konnte er nirgends ein Piano entdecken. Er erinnert sich: "Nur ein Fender Rhodes stand irgendwo in der Ecke, ein Instrument, das ich noch nie gespielt hatte." Als er Miles auf das fehlende Piano anspricht, bedeutet ihm dieser, das "Spielzeug", wie Hancock es damals nannte, zu spielen. Und siehe da: "Dann spielte ich einen Akkord, und es klang einfach schön – dieser wirklich warme, glockenartige Sound." Der Sound des Fender Rhodes wurde zeitlos – und wie gut emuliert die Software-Version von Applied Acoustics diesen Klassiker?

Facts

Der Lounge Lizard EP-1 ist für Windows und Macintosh-Rechner erhältlich, wobei auf der Windows-Seite die Betriebssysteme 98SE (Second Edition), ME, 2000 und XP unterstützt werden, auf dem Mac jedoch nur OS 9.x.
An Treibern unterstützt der Lizard auf Windows-Computern ASIO, DirectSound, Emagics EASI, MME und WDM und an Plugin-Schnittstellen VST und DXi (für Cakewalk), auf dem Mac ist er unter ASIO, SoundManager und FreeMIDI-Treiber sowie den Plugin-Formaten DirectConnect, MAS und VST lauffähig. Applied Acoustics heben hervor, dass die Software für den Standalone-Einsatz konzipiert wurde und erst sekundär für Einbindung in Sequenzer – davon ist jedoch nichts zu spüren, denn in beiden Modi läuft dieses leicht transportable Rhodes-Piano wundervoll stabil. Besonders interessant dürfte dieses Instrument für Pianisten sein (gleich welcher Stilrichtung - denn das Rhodes wird und wurde nun wirklich überall eingesetzt, von Jazz über Pop bis zu modernen Electronica- und Drum'n'Bass-Produktionen), die es auf dem Laptop live auf der Bühne spielen wollen und dazu nicht einmal den Sequenzer zu starten brauchen.

Das EP-1 arbeitet nicht mit Samples, sondern die Sounds werden in Echtzeit mit der Physical Modeling-Methode generiert. Diese Berechnung erfolgt aufgrund der Simulation der Mechanik dieses Instruments. Und wer jetzt denkt, dass die Möglichkeiten bzgl. Soundvielfalt beim „künstlichen Rhodes“ eingeschränkt sind, der sollte sich einmal durch die mitgelieferten Werkspresets klicken – die Bandbreite ist erstaunlich, von Funky Rhodes über Wah-Wurlitzer, spacige Teppiche oder Percussion-Sounds bis hin zur „Oma-Orgel“ à la Buddy Casino ist hier alles möglich.
Was mich beim Lounge Lizard überzeugt hat, und weswegen ich ihn auch schon für einige Produktionen eingesetzt habe, ist sein warmer, natürlicher Sound.

Install’n’Play

Die Installation geht erwartungsgemäß einfach und schnell über die Bühne, man muss dem Challenge-Code einen Response-Code als Antwort geben - diesen erhält man nach Eintippen der Seriennummer auf der Applied Acoustics Website. Nachdem man den Lounge Lizard dann das erste mal aufruft, erscheint ein wunderschön anzuschauendes virtuelles Rhodes-Bedienpanel (siehe Abbildung 1), und auf den ersten Blick wird klar, dass man hier alles einstellen kann, was das Herz begehrt. Dies ist Version 1.0 und scheint doch schon sehr ausgereift zu sein. Während dieses Tests wurde noch das Zwischenupdate 1.0.1 auf der Website zum Download angeboten, welches Probleme mit einigen Grafikkarten behebt.
In einem Konfigurationsmenü (Abb. 2) lassen sich die Soundkarten- und Midieinstellungen vornehmen – auf meinem Pentium III mit Echo Gina-Audiokarte lief der EP-1 mit minimalen Latenzen, wie andere VST-Instrumente auch.
Audio-KonfigurationDie Bedienelemente sind logisch angeordnet und sofort auch ohne Handbuch leicht verständlich. Der Lizard verlockt gleich, eigene Sounds zu finden, und schnell hat man eine ganze Reihe eigener Presets abgespeichert. Auf der Applied Acoustics Website werden zwischenzeitlich noch einmal neue Werkspresets zum Download angeboten – Prädikat: unbedingt runterladen! Für mich am bemerkenswertesten, neben den Soundfähigkeiten, der Bedienung und der Stabilität, ist der Inspirationsfaktor dieses Instruments/Plugins: Jedesmal wenn ich den EP-1 aufrufe, kommen entweder neue musikalische Ideen oder neue Presets dabei raus – für mich bei Weitem das wichtigste Feature jeglicher Software. Was sich „keyboard-lose“ Musiker vielleicht wünschen, wäre ein „virtuelles“ Keyboard á la Pro-5, auf dem man die Tasten mit der Maus anklicken kann - evtl. für das Komponieren/Sounddesign unterwegs mit Laptop keine schlechte Idee!

Stellt sich zum Schluss noch die Frage: Wie steht der Applied Acoustics Systems Lounge Lizard im Vergleich mit anderen auf dem Markt erhältlichen Rhodes-Emulationen da? Nun, hier kann ich nur über den EVP88 von Emagic sprechen, das einzige von mir ausprobierte vergleichbare Produkt. Allerdings kann man beide nicht auf eine Stufe stellen, da der EVP88 nur Logic-Usern vorbehalten ist (und die Features seines VST-Bruders EVP73 extrem abgespeckt sind).
Ich finde den natürlichen, vielseitigen Sound des Lounge Lizard auf alle Fälle überlegen. Den EVP kann man im Gegensatz zum EP-1 auch nicht standalone verwenden, Logic muss also immer geöffnet und die entsprechende Audio-Instrument-Spur selektiert sein. Das ist zwar kein großes Problem, aber die Möglichkeit, den Lizard schnell „solo“ parat zu haben, möchte ich nicht mehr missen. Speziell für den Standalone-Betrieb hat mir das integrierte Delay sehr gut gefallen.
Der Lizard ist noch nicht mit den neuen Automationen der aktuellen Logic und SX-Versionen kompatibel. Man kann Automationsdaten nur über cc automatisieren oder per Hyper Draw in Logic einzeichnen. Allerdings wird es voraussichtlich noch dieses Jahr ein Update geben, das auch die neuen Automationfunktionen der Sequenzer unterstützt.

Ein kleines Detail, das man in den Settings ein- und ausschalten kann, hat mir den Einstieg sehr erleichtert: Man kann sich Screen-Tipps zu jedem Bedienelement anzeigen lassen, über dem man den Mauszeiger verharren lässt (siehe Abb. unten) – diese Erklärungen sind in der Tat sehr hilfreich und ersparen einem den Blick ins (ausführliche und vollständige) PDF-Handbuch.

Screen Tips

Der interessierte Musiker sollte sich auf alle Fälle beide Instrumente anhören. Mir schien der EP-1 unter Logic Platinum 5 etwas ressourcenhungriger zu sein – es kann aber natürlich sein, daß dies bei anderen Sequenzern und auf anderen Rechnern nicht so ist. Und man darf auch nicht vergessen, dass dies die erste Lounge Lizard Version ist - und für eine 1.x funktioniert dieses E-Piano enorm gut.

Für Mac-User stellt sich angesichts der baldigen kompletten Umstellung aller erhältlichen Mac-Systeme auf das Betriebssystem OS X (ab 1. Januar 2003 werden keine Macs mehr mit OS 9 ausgeliefert) und im Zusammenhang der ausschließlichen AudioUnits-Unterstützung in Logic 5 für X natürlich die Frage, wie die Portierungspläne bei Applied Acoustics sind. Dazu zitiere ich die folgenden mir vorliegenden Informationen von Applied Acoustics:

Im Moment steht die Entwicklung des Tassman 3 bei AAS an erster Stelle. Ein genaues Release-Datum steht leider noch nicht fest, wir rechnen jedoch noch für Ende des Jahres damit. Spätestens zur NAMM Show Mitte Januar soll Tassman 3 fertig sein (für Windows [VST/DXi], Mac OS 9 [VST/MAS/DirectConnect], Mac OS X [AudioUnit/evtl. VST]).

Lounge Lizard EP-1 und Tassman basieren auf der gleichen Audioengine. D.h., sobald das Tassman 3 Release fertig ist, kommt automatisch das kostenlose OS X Update für den Lounge Lizard.

Ob der Lounge Lizard EP-1 dann als AudioUnit oder VST-Plugin portiert werden wird, ist noch offen – da bleibt wohl auch die Entwicklung auf diesem Sektor erst einmal abzuwarten.

Unterm Strich bietet der Lounge Lizard Spitzensounds, einfache Bedienung, Flexibilität und Stabilität bei einem guten Preis-Leistungsverhältnis.

Pro

  • Warmer, natürlicher Sound
  • Weites Soundspektrum von bodenständig bis abgefahren
  • Werkspresets
  • Stabilität
  • Preis
  • Bedienung

Kontra

  • Automation nur über MIDI Continuous Controllers (Unterstützung der neuen Logic- und Cubase-Automationsfeatures in einem kommenden Update)
  • noch keine OS X-Unterstützung (ebenfalls angekündigt)

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Weitere Links zum Thema:

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Autor: Roland Reinke, 06.12.2002 Ein Service von MEMI.