MEMI Software-Test

 

Native Instruments Pro-53

Prophet 5 Emulation und mehr

 

Hersteller/Vertrieb Art der Software erhältlich für Preis
Native Instruments Software-Synthesizer Windows € 199,-
    Mac  

 

Beware of cheap imitations

LogoSo schwer es ist, über den Synthesizer Sequential Circuits Prophet 5 zu sprechen, ohne gleich das Adjektiv "legendär" missbrauchen zu müssen, so schwer fällt es auch heute, das Original, zu einem akzeptablen Preis zu finden. Die Geräte sind rar, im Falle eines Falles bedarf es eines Wunders, Ersatzteile aufzutreiben, und die Gebrauchtpreise haben sich auf einem Niveau eingependelt, wo auch so mancher "virtuell-Analoger" zu haben ist. Kein Wunder ­ liest sich doch die Liste der Prophet 5-Anwender wie das Who is Who der elektronischen Musik und die charakteristischen Sounds des Propheten verleihen auch heutigen Produktionen den 80er Touch.

Dabei geht ein würdiger Nachbau der kapriziösen Legende gerade ­ so wie weiland das Original ­ in die dritte Generation: von Pro-Five über Pro-52 bis zu dem gerade erschienenen Upgrade Pro-53 bietet die Simulation zwar keine Transistoren und keine echten Holzverkleidungen, dafür kann sie mit immer stabiler Stimmlage, Anschlagdynamik, zusätzlichen Effekten und Soudnamen im Klartext überzeugen ­ von der kabel- und verzögerungsfreien MIDI-Anbindung ganz zu schweigen. Das Handbuch erwähnt auf Seite 2 noch einige Vorteile mehr, die ein virtuelles Instrument gegenüber einem "echten³ aufweist ­ unverständlicherweise nicht auf Deutsch. Der Hersteller wollte sich zu diesem "gravierenden" Fehler leider nicht äußern, so dass neugierige Anwender auf andere Sprachen des anstonsten wie üblich etwas wortkarg gehaltenen, aber ausführlichen Handbuchs angewiesen sind.

Installation

Die Installation verläuft, wie aus dem Hause NI nicht anders gewöhnt, schnell und unproblematisch. Das Programm wird durch Seriennummer und CD geschützt ­ letztere glänzt, wieder einmal NI-typisch, mir ihren auf der Trägerseite aufgebohrten "Augen", die nicht nur ein unerlaubtes Kopieren verhindern, sondern dem Anwender auch die Möglichkeit nehmen, eine Sicherungskopie zu machen. Letztgenannte ist allerdings nicht mehr so bitter nötig wie früher, denn die Original-CD wird nicht mehr hin und wieder unverhofft abgefragt, sondern nur noch bei Aktualisierungen der Software selbst oder bei großen Änderungen auf der Festplatte: ein sehr anwender- und reisegepäckfreundlicher Schritt. Ähnlich wie bereits bei FM7, übersteht die bei der Installation geschriebene "Mystery"-Datei mit Leichtigkeit normale Wartungsarbeiten der Festplatte, wie Erste Hilfe, Disk Warrior oder das Neuanlegen der Schreibtischdatei.

Gerade Letzeres ist nach der Installation der Software auf einem Mac notwendig ­ ohne diese (ohnehin ab und an sinnvolle) Maßnahme erschienen nämlich auf beiden Test-Macs unter 9.2.2 sowohl das Programm selbst als auch sein automatisch auf dem Schreibtisch angelegtes Alias als generische Applikations-Icons. Die Funktion des Programms selbst wird davon zwar nicht beeinflusst, aber ein solcher kosmetischer Fehler ist bei einer so detailverliebten und nicht nur funktionell gepflegten Software ein kleiner Faux-pas.

Laut Info-Kästchen begnügt sich der Pro-53 mit gerade einmal 62 MB RAM ­ das ist im Vergleich zu vielen anderen virtuellen Instrumenten und gemessen an der Sound-Power geradezu minimalistisch. Im Testbetrieb war es auch nicht nötig, diese Speicherzuweisung zu erhöhen.

Jede Menge Holz: die Oberfläche

PanelNach dem Start präsentiert sich der Pro-53 im Holz- und Metallgewand der schraubwilligen Anwender. Verblüffend ist die Liebe zum Detail, mit der die NI-Designer an die Gestaltung der virtuellen Nachbauten herangehen. Wie schon bei B4 werden alle Bedienelemente dezente Schatten auf die Oberfläche, Holz strahlt edelmatt, selbst die Fingermulden der Pitch- und Mod-Räder werden je nach der Position entsprechend realistisch beleuchtet.

In Sachen Ergonomie hat sich seit Pro-52 einiges getan. So sind alle Knöpfe wesentlich größer geraten, was zwar nicht mehr originalgetreu ist, dem Maus- oder gar Trackpad-Anwender wesentlich besser entgegenkommt. Die Knöpfe sind insgesamt "griffiger" geworden, der "Lack" ist nun glatt, die Beschriftung fällt größer aus. Sehr wünschenswert wäre die Option, die Darstellungsgröße des gesamten Instruments schrittweise anzupassen, wie es neuerdings bei Kontakt möglich ist.

Unter dem NI-Logo verbirgt sich jetzt ein Aufklappmenü mit mehreren Programm-Optionen. So ist es z.B. möglich, den MIDI-Learn-Modus mit einem Mausklick zu aktivieren, die Knöpfe dem verwendeten Midi-Controller vorzustellen und anschließend den "MIDI-Schule³ wieder zu verlassen. Auf diese Weise ist eine Controller-Map schnell und komfortabel erstellt. Mehrere Controller-Maps liegen dem Instrument bei, ein Blick in den Ordner Presets -> Controller maps kann für angenehme Überraschungen sorgen. Doch auch wenn eine Map für den vorhandenen Controller nicht verfügbar sein soll, läßt sich ein eigenes Setup sichern und entweder bei Bedarf oder automatisch beim Programmstart abrufen. Mit unseren vier Testcontrollern (Virus, Polymorph, Oxygen und CS1x) funktionierte es vorzüglich.

Weitere Optionen im NI-Menü schließen u.a. das Laden/Sichern von Microtuning, Anzeigen des CPU-Verbrauchs (unbedingt empfehlenswert, um zu sehen, wie vorbildlich der Pro-53 mit den Ressourcen umgeht), das Anzeigen der Tastatur und das Controller-Dump mit ein.

Wie jedes andere NI-Programm läßt sich Pro-53 sowohl als Plug-in als auch als Stand-Alone-Applikation betreiben. Im Stand-Alone-Modus lassen sich mehrere Instanzen des Instruments öffnen, so dass auf einfachste Weise Layer-Sounds machbar sind ­ mit teilweise verblüffenden Resultaten. Ein solches Setup mehrerer Instanzen lässt sich auch auf die Festplatte sichern und später abrufen: nicht nur für Live-Anwendungen äußerst praktisch. Leider scheint just diese Funktion noch nicht perfekt zu sein: Beim Versuch, ein so gesichertes Setup wieder zu öffnen, froren beide Test-Macs reproduzierbar ein.

Alt gegen neu

Dem Vorgänger Pro-52 gegenüber erhielt der Pro-53 einige interessante Funktionen, die den Versionssprung durchaus rechtfertigen. Die LFO-Sektion hat jetzt eine ENV TRIG-Taste, die auf einfachste Weise Klänge rhythmisiert ­ das ging in Pro-53 nur über MIDI. Die Filtersektion bekam zusätzlich einen Hochpassfilter- und einen Inversionsschalter, die Amplifier-Sektion einen besonders für Soundtüflter praktischen Hold-Taster. Laut Hersteller ist der Sound-Engine weitgehend überarbeitet worden und soll jetzt für noch druckvollere und "analogere" Klänge sorgen.

Geblieben ist dagegen die zwar originalgetreue, doch auf Dauer mühsame Auswahl der Presets über das File-Bank-Programm-Trio. Zwar ist, zumindest im Preset-Bereich, die logische Einsortierung von Sounds in größere gruppen eine Hilfe, außerdem lassen sich die Programme auch durch Ziehen im nummerischen Display umschalten ­ trotzdem erscheint das Tribut an das analog-digitale Original an dieser Stelle doch etwas übertrieben. Ein (ggf. ausfahrbares) Fenster mit tabellarischem Überblick über die Sounds, wie etwa bei FM7, wäre eine wünschenswerte Verbesserung, auch wenn so etwas vielleicht der grundlegenden Philosophie des Prophet-Nachbaus nicht entsprechen würde.
Während in Pro-52 beim Klick auf ein kleines Feld neben dem Programmnummerndisplay eine Popup-Liste der Sounds der jeweiligen Bank erschien, geht es in Pro-53 nur bei gehaltener Apple-Taste bzw. unter Windows mit CTRL-Taste. Das nützliche Feature des Pro-52 sollte aber im nächsten Update auch in der neuen Version wieder zu finden sein.

Der große gemeinsame Vorteil aller drei NI-Prophet-Emulationen ist aber, dass ale Editiermöglichkriten direkt von der Oberfläche aus erreichbar sind: keine versteckten Untermenüs stehen einem fröhlichen Klangschrauben im Wege.

Bevor es jedoch ans Editieren geht, werden gewöhnlich erst einmal die Presets auf LFO und PWM abgeklopft. Die höchste Zahl im Preset-Feld, 888, soll nicht darüber hinweg täuschen, dass bedingt durch das im Nachbau wie im Original verwendete Oktalsystem "nur" 512 Presets zur Verfügung stehen.

Der erste Sound, SuperSyncLead (111), erinnert sofort an Fatboy Slims "Song for Lindy" und lässt ahnen, womit die NI-Programmierer den Anwender erfreuen wollen ­ in der Tat glänzt der virtuelle Prophet durchweg mit Lead-, Bass-, String-, Brass- und FX-sounds für fast jede musikalische Lebenslage. Die meisten Presets klingen über alle Oktaven hindurch sehr brauchbar und besonders in extremen Tief- oder Hochlagen außergewöhnlich. Zahlreiche Drums und Percussion-Sounds erfrischen mit analogem "Dreck", der sich bei Bedarf über den entsprechenden Knopf steuern läßt. Zum Glück gingen dabei NI-Programmieren diesmal recht dezent mit eingebauter (anders als im Original) kleinen, aber feinen Effekt-Sektion um. Das einzige "Problem": die meisten Sounds erweisen sich als sehr durchsetzungsfähig und können beim Mix ordentlich aufmischen ­ doch das ist wohl eher als Feature und als Herausforderung zu sehen.

Mangels Original konnten leider keine A-B-Vergleiche gemacht werden, also sei nur soviel gesagt: Das analoge Feeling kommt auf, der Klang ist durch und durch überzeugend und kräftig. Die Filterbank ­ die sich übrigens auch für externe Klangquellen einsetzen läßt ­ reagiert schnell und präzise, packt hart zu und lädt zum Knöpfchendrehen in Echtzeit ein. Übrigens: Alle Knopfbewegungen lassen sich selbstverständlich in einem Sequenzer auch automatisieren.

Alleine das Durchspielen aller Presets verschlingt mehrere Stunden. Das Verändern der Klänge macht auch ohne Handbuchlektüre jede Menge Spaß und sorgt ­ bei jemandem, der das Original nicht kennt ­ für interessante Überraschungen. Gerade aber die Eigenarten des Propheten erklärt das Handbuch an Hand mehrerer Beispiele ausführlich, so dass der geneigte Sounbastler die eine oder andere Stunde für das berühmte RTFM mit einplanen sollte.

Rechts ist frei, Du kannst fahren

Der Brot-und-Wein Synthesizer der 80er hat in Pro-53 einen würdigen Nachfolger. Wer das Original nicht hat, wird sowieso zu Pro-53 greifen wollen, alleine wegen mancher Alleinstellungsmerkmale des Propheten, die so einfach in keinem "Virtuell-Analogen³ zu finden sind. Alleine die 512 Presets machen den Kaufpreis mehr als wett ­ und für Knobtweakers gibt es jede Menge zu entdecken.

Die erwähnten kosmetischen Fehler und der Umstand, dass Pro-53 nicht unter Mac OS X läuft, können das insgesamt positive Bild nicht trüben und machen den Pro-53 zur Kaufempfehlung für jeden, dem "schon immer³ ein einfach zu bedienendes, analoges Monster in seinem PowerBook fehlte. Dank Funktionen, die das Original nicht oder nur begrenzt hatte ­ etwa umfangreiche MIDI-Steuerung oder Anschlagdynamik ­ ist der Pro-53 mehr als nur ein "poor man's Prophet 5".


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Autor: Alexander "aljen" Jensko, 24.10.2002 Ein Service von MEMI.