MEMI Hardware-Test

 

Boss SE-50

Multieffektgerät

 

Klein, gut, billig. Das mögen die Attribute sein, die man am ehesten mit Boss verbindet. Seit langem schon beglückt die rührige Roland-Tochter Gitarristen mit den berüchtigten Tretminen und alle anderen mit Effektgeräten, Drumcomputern und Phrase Samplern zu relativ kleinen Preisen.

Eines dieser Geräte ist das SE-50, ein 9,5"-Multieffektgerät aus der "Boss Pro"-Serie, die auch einen Compressor und Noise-Gate umfasste. Das SE-50 präsentiert sich im schwarzen Metallgehäuse. Es wirkt leicht, aber stabil. Auf der Frontplatte findet sich ein Stereo-Inputregler mit Overload-LEDs (leider keine Kette!), ein 2*16 Zeichen Display (beleuchtet), sowie diverse Taster zur Seitenwahl und Parameteränderung. Der Netzschalter versteht sich fast von selbst.

Hinten treffen wir auf Stereo-Ein- und Ausgänge im Klinkenformat, MIDI In und Out, einen Pegelumschalter für Gitarristen, zwei Eingänge für Fußschalter (Effekt Mute und Programmwechsel) und den Anschluss für das externe Netzteil, das sich hier als besonders voluminös herausstellt. Alles wirkt solide verarbeitet, auf symmetrische Buchsen muss man allerdings verzichten.

Intern bietet das SE-50 128 Speicherplätze für Effektprogramme, von denen die ersten 100 vom Benutzer selbst gestaltet werden können, während die letzten 28 Programme lediglich alle 28 vorhandenen Algorithmen einmal durchspielen. Von hier aus kann man sich also bequem ein passendes Rohprogramm aussuchen, seinem Geschmack anpassen und dann auf einen der RAM-Plätze ablegen.

Die 28 Algorithen sind fest vorgegeben und lassen sich nicht weiter verändern. Handelt es sich um einen Multieffekt mit mehreren hintereinandergeschalteten Einzeleffekten, kann man diese lediglich gesondert ein- und ausschalten, weitere Gestaltungsmöglichkeiten bleiben verwehrt. Aber mal ehrlich: Braucht man die unbedingt, wenn die Effektpalette weitestgehend abgedeckt wird? Das ist hier durchaus der Fall, denn das SE-50 ist ein Alleskönner. Wer lediglich Homerecording-Ansprüche stellt, bekommt einiges geboten:

  • Hall 1
  • Hall 2
  • Room
  • Plate
  • Ambience
  • Gate Reverb
  • Stereo Reverb

Hier gibt es jede Menge Raumsimulationen unterschiedlichster Couleur. Die Qualität ist erträglich, sicher jedoch alles andere als professionell. Für Synthesizer und Sampler sollte es jedoch ausreichen. Die Effekte besitzen genug Parameter, um sie im Detail bearbeiten zu können. Early Reflections, Filter und semiparametrische EQs sorgen für reichlich Abwechslung und Eingriffsmöglichkeiten. Auf MIDI-Steuerung muss man bei diesen Einzeleffekten leider verzichten. Auch entbehren die Halleffekte der 48 kHz-Sampling-Rate. Man bekommt hier nur 32 kHz geboten.

Weiter geht's mit Delays:

  • Multi Delay (5 serielle Delays)
  • Multi Tap Delay
  • Stereo Delay

Auch hier findet sich Hausmannskost mit allem, was man braucht, inklusiver sehr langer Delayzeiten von bis zu zwei Sekunden.

Die Modulationseffekte verdienen besondere Aufmerksamkeit. Hier sieht man, dass Boss sein ganzes Wissen um die Gitarristen-Tretminen eingebracht hat, denn diese Sektion sorgt immer noch dafür, dass das SE-50 auch in größeren Studios zu finden ist.

  • Space Chorus
  • Multi Pitch Shifter (vier Module)
  • Stereo Pitch Shifter
  • Stereo Flanger
  • Stereo Phaser

Diese Effekte machen richtig Spaß, zumal sie sich per MIDI steuern lassen: Jeweils ein Parameter kann aus einer sinnvoll zusammengestellten Liste ausgesucht und für Modulationen freigegeben werden. Auch ansonsten finden sich alle wichtigen Parameter. Diese Abteilung ist absolut gelungen, zumal auch der Klang zu überzeugen weiß: Hier wird teilweise mit 48 kHz gewandelt.

Zum Schluss kommen die Multieffekte. Dies sind Ketten aus verschiedenen Einzeleffekten, die bestimmten Zwecken dienen sollen. Fast alle sind MIDI-steuerbar, wo sinnvoll.

  • Vocoder: Ja, den gibt's hier. Als Effekt sehr gut zu gebrauchen, mit nur sieben Frequenzbändern jedoch nicht immer allzu klar verständlich.
  • Rotary: Schöne Leslie-Simulation mit zwei Rotoren und einstellbaren Anlaufzeiten.
  • Keyboard-Multi 1: EQ, Delay, Chorus und Hall in einem.
  • Keyboatd-Multi 2: Phaser, EQ, Chorus und Hall.
  • Rhodes: EQ, Phaser, Chorus, Auto Panning und Hall.
  • Guitar Multi: Compressor, Distortion, EQ, Delay, Chorus, Hall und Amp Simulation.
  • Vocal Multi: Limiter, Enhancer, Delay, Chous und Hall
  • Stereo Enhancer
  • 2CH-Mixer: Das ist kurios: Das SE-50 agiert hier als Zweikanal-Mischpult mit EQ und Rauschunterdrückung pro Kanal, sowie Hall, Delay und Chorus als regelbare Send-Effekte.
  • Reverb 1 + 2: Zwei völlig unabhängig berechnete Halleffekte. Das SE-50 arbeitet hier wie zwei getrennte Effektgeräte und kann auch so am Mischpult verwendet werden.
  • Gate Reverb + Reverb
  • Chorus + Reverb
  • Delay + Reverb

Die Auswahl ist also sehr breit. Das alles wird in passabler bis sehr guter Qualität geboten. Es fällt jedoch auf, dass jedes Mehr an Effekten (z.B. in den Multi-Programmen) für ein Mehr an Rauschen sorgt. Auch geht die Qualität der Einzeleffekte dann zurück, weil der Prozessor seine Leistung aufteilen muss. Im Zusammenhang fällt das zwar meist weniger auf, Profis verlassen sich darauf verständlicherweise jedoch nicht. Gerade im elektronischen Heimstudio, wo eher Synthesizer als Stimmen bearbeitet werden, ist die Leistung des kleinen Kastens jedoch durchaus befruchtend. Nachdem der Gebrauchtpreis zuerst stark gefallen war, rappelte er sich wieder etwas auf, was schon etwas nach "Geheimtip" riecht. Insofern dürfte er nicht auf den ersten Blick interessant erscheinen, da es inzwischen wesentlich billigere Neugeräte (z.B. von Zoom und Behringer) gibt, die mit besserer Technik und Hallqualität aufwarten. Dem SE-50 bleiben da wohl noch am ehesten die recht gut gelöste Bedienung und die kultigen Modulationseffekte. Ich gebe ihn jedenfalls nicht mehr her.

Eine letzte Anmerkung: Mit dem Nachfolger SE-70 wurden einige Schwächen ausgebügelt: Es gibt ein Poti zur Dateneingabe (beim SE-50 nerven die Tipptasten bei größeren Parameterorgien), die Wandler wurden verbessert, der Prozessor ist leistungsfähiger, und es gibt noch mehr Effekte. Allerdings verschwand dieses Gerät recht schnell wieder in der Versenkung, ist heute aber dafür wegen seiner Modulationseffekte umso beliebter.


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Autor: Christian Baum Ein Service von MEMI.