Foreign Spaces: Phaeton
von
Stephan Dargel
Vor langer Zeit wurde einmal ein Begriff für ideenreiches Schaffen
geprägt: Kreativität - ich glaube, dieser Begriff stammt von den
Einwohnern des Planeten PHAETON, irgendwo in den fremden Räumen
(FOREIGN SPACES) unseres Universums. Deren Herrscher Georg Reiter und
Christian Feher haben was zu sagen. Nein, kein unwirkliches Blabla. Vielmehr
richtige Messages aus längst versunkenen Kulturlandschaften, die
einstmals von Heroen wie Klaus Schulze und Tangerine Dream beherrscht
wurden. Ernsthafte Impulse im Jahre 2000 kommen aber von PHAETON!
Selten ist es der Fall - ich schreibe das des öfteren, aber ich
schreibe auch nur dann, wenn es mir auffällt -, dass mir eine CD so
richtig die Gänsehaut über den Rücken jagt. Insbesondere
dann, wenn sie von Spannungsbögen lebt, wie man sie nur sehr selten
erlebt hat. Erinnerungen an epochale Werke, wie z.B. Tangerine Dreams
TANGRAM können da wieder aufleben. Warme Musik, kein digitales Geflirre
und Süßholzgeraspel, nein, richtige Musik! Und wer da noch ruft,
dass analoge Synthesizer einfach wärmer als die digitalen Kollegen
klingen würden, der möge sich doch PHAETON antun - hier. Rein
technisch betrachtet haben wir eine erstklassige Produktion vor uns liegen,
die besonders von den Klängen der beiden verwendeten JD-800 und dem
JD-990 von Roland lebt, ergänzt durch (so nehme ich mal einfach an)
Lead-Lines des einzig wirklichen analogen Jupiter-6 aus gleichem Hause. Dazu
etwas Flächiges vom D-50, etwas schlagkräftiges vom R-8M und den
Rest vom Rave-O-Lution 309 aus dem Hause Quasimidi. Man könnte meinen,
FOREIGN SPACES wären Roland-Endorser. Eigentlich müssten die
Roland-Messe-Leute diese beiden Musiker für ihre Präsentationen
engagieren, denn was hier aus dem Lautsprecher kommt, kann sich nicht nur,
nein, muss sich sogar hören lassen!
Insbesondere das Titelstück PHAETON I - PLANET mit seiner
Gesamtlänge von 17:39 Minuten hat es mir angetan. Werden solche
"Endlosstücke" häufig langweilig, da die Spannungsbögen allzu
lang gehalten zu werden pflegen, gelingt es FOREIGN SPACES hier wirklich,
ein Gesamtkunstwerk hinzulegen. Oder bildlich gesprochen: haben die
frühen Heroen Plakatwände mit zwei farbigen Quadraten
gefüllt, so wurde hier auf gleicher Größe die berühmte
Nachtwache gemalt, und das mit den frischesten Farben. Dabei haben Reiter
und Feher es verstanden, eine Linie durch den Opener zu ziehen. Hier wirkt
nichts zufällig oder aneinandergeklebt. Homogen sollte man neu
definieren, um dieses Stück zu beschreiben. Für mich das absolute
Highlight von PHAETON.
Es folgen drei kürzere Stücke BLUE STREAM, MOONLESS und SILVER
GLIDER:
Das erste Stück bringt ein kleines Break zu PHAETON I, das zweite
erinnert ein wenig an bessere Zeiten eines mit KS abgekürzten
Künstlers, während SILVER GLIDER ein weiteres Break darstellt -
wie gesagt im Gesamtkonzept von PHAETON.
Dann das längste Stück der CD: PHAETON II -. LIFEFORMS. Auch
hier ist eine schöne Mischung zustande gekommen, die nicht langweilig
zu werden droht. Auch taucht nach ca. fünfeinhalb Minuten wieder dieser
schöne weiche Flächenklang auf, den ich aus einem der JDs heraus
vermute. Wenn dieser selbstprogrammiert sein sollte, dann ist dies allein
ein weiteres Meisterwerk! Nach rund zehn Minuten baut sich wieder einer
dieser tollen Spannungsbögen auf. Die LIFEFORMS beginnen sich zu
gestalten.
SPHERIC ARCHITECTURE ist ein Stück, das seinen Namen verdient hat,
denn hier tun sich wirklich sphärische Klänge auf. Sehr
schön, von einer arpeggioartigen Sequenz getragen, die sich zudem
ständig verändert. ARTIFICIAL ENCOUNTER gleitet mit etwas
unüblicher Sequenz dahin. Gibt es einen Stil, so ist es bei FOREIGN
SPACES die Auswahl der teilweise fantastischen Sounds und die Art und Weise
der Melodielinie. Sequenzen, Akkorde und dergleichen sorgen aber von
Stück zu Stück immer wieder für Überraschungen, und das
ist gut so. Und wenn dann der Übergang zu WHITE SUNSET fließend
geschieht, dann ist das eine weitere Überraschung. Und es wird
sphärisch, mystisch, eben wie der Untergang einer weißen Sonne.
Verhallte Chor-Akkorde und eine subtile Basslinie dominieren diesen
Sonnenuntergang, der dann schließlich in PHAETON III - UTOPIA
ausklingt. Dieses Stück wirkt ein wenig wie Abschied vom fantastischen
Planeten PHAETON und erinnert von der Instrumentierung ein wenig an das Ende
von TANGRAM der eingangs erwähnten Tangerine Dream. Aber es passt
hervorragend an dieser Stelle und verleitet mich, erneut die CD mit der
Reise über den Planeten PHAETON zu starten.
Ohne Zweifel haben wir hier tolle Musik, die nicht langweilig zu werden
droht und die von den vielzitierten Spannungsbögen lebt. Hätte es
Tangerine Dream nicht gegeben, so würde man heute wohl von Schlierseeer
Schule sprechen müssen. Wer mit den TD von heute nichts anfangen kann,
eine Vorliebe für warme Klangflächen und analogen Sequenzen hegt,
darüberhinaus auch noch eine Abneigung zu Four-on-the-Floor-Beats
(zumindest teilweise einmal) hegt und wirklich schöne Musik hören
möchte, wer das Wort "Langeweile" mit Elektronischer Musik bislang
gleichsetzte und eines besseren belehrt werden möchte, wer noch ein
paar Mark für eine auch äußerlich von Georg Reiter und
Lothar Lubitz hervorragend inszenierte CD erübrigen möchte, wer
all dieses (oder wenigstens ein paar von diesen Punkten) will, der kommt an
FOREIGN SPACES nicht vorbei!
Nebenbei bemerkt gibt es auch einen nicht minder schlechten Back-Katalog,
den man sich leisten sollte:
UFO BREAKFAST von 1995
BEING CREATURE von 1996
DARK STAR von 1997
PHAETON von 2000
KAUFEN sag ich, KAUFEN!!
|