Agent Error: Radioworld
von
Martin Rothhaar
Daß bei der MEMI-Redaktion hin und wieder Rezensions-Exemplare von Elektronik-Neuerscheinungen
eintrudeln, ist glücklicherweise inzwischen keine allzu große Seltenheit mehr. In den meisten
Fällen sieht es dann so aus, daß ein Opfer in der Redaktion gesucht wird: "Wer hat Zeit für
ein CD-Review?" - Diese Frage eignet sich fast immer hervorragend dazu, den einzelnen MEMI-
Redakteuren einen Ausspruch aus der Reihe "Meine beliebtesten Ausreden" zu entlocken: "Eigentlich
gerne, aber ich habe gerade so waaahnsinnig viel zu tun.", "Prinzipiell ja, aber Du weißt, ich
muß noch für die Froeses diese Auftragsarbeit erledigen." ... keine Seltenheit.
Sehr selten hingegen ist der vorliegende Fall: Eine frisch eingetroffene CD überzeugt gleich
beim ersten, flüchtigen Hineinhören so, daß man weiß: Dazu muß ich etwas schreiben!
So ging es mir mit der vorliegenden CD: "Radioworld", die aktuelle Veröffentlichung von Richard
Gaisbauer aka AGENT ERROR.
Schon der 16-minütige Opener "Another Rhythm" deutet mit seinen wesentlichen Elementen recht
klar an, wohin die Reise uns in den knapp 70 Minuten von "Radioworld" führen wird: zu einer
zunächst fast house-artig anmutenden Instrumentierung und perfekt programmierten Drum-n-Bass-Rhythmen
gesellen sich schon bald Elemente, die man doch eher in der klassischen EM vermutet: interessante
analoge(?) Lead-Melodielinien, EM-typische Sequenzen, etc.. Verfeinert wird das Ganze außerdem durch
gezielt eingesetzte Vokal-Samples. Und damit dem Zuhörer in den 16 Minuten des Intro-Tracks auch
ja nicht langweilig wird, wechseln sich in verschiedenen Parts unterschiedliche Grooves ab und
wandern dabei stets auf sehr modernen Wegen zwischen Ambient, d'n'b, Breakbeat und Ähnlichem. -
Alles in Allem ein perfektes Intro für dieses Album.
Kaum weniger interessant geht es weiter: zum Beispiel mit dem dezent angelegten "Plug & Pray",
in dem eine sehr ausgefeilte rhythmische Basis durch interessante Flächen sowie elektronische und
xylophon-artige Sounds wunderbar athmosphärisch ergänzt wird. Oder mit dem zweiteiligen Titelsong
"Radioworld", dessen TD-artige Sounds und Sequenzen mit modernen, unaufdringlichen aber dadurch
umso passenderen Rhythmen hinterlegt werden und sich gezielt in die insgesamt spärlich-coole
Instrumentierung einbetten.
Richard Gaisbauer selbst bezeichnet seine Musik als "akustisches Abenteuer". - Ich kann jedem
empfehlen, sich auf das Abenteuer "Radioworld" einzulassen. Denn diese sechs innovativen
Instrumentals sind sicherlich sowohl für den Freund der klassischen EM, als auch für den
Vertreter der modernen Elektronik-Fraktion ein Erlebnis!
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