Interview mit Hybrid Machine

Alexander Guelfenburg aus Wien veröffentlichte 1996 seine erste CD „Debut!“ unter dem Projektnamen „Hybrid Machine“. Vor wenigen Wochen erschien nun die zweite Scheibe von ihm, „Eloquence“. Über die Besonderheiten des Gesangs auf dieser CD und andere Themen unterhielt sich Alex mit MEMI-Redakteur Frank Korf am Rande des E-Live-Festivals 98 am 17.10.98 in Nimwegen.

Alexander Guelfenburg aus Wien, besser bekannt als „Hybrid Machine“, hat den weiten Weg aus Wien hier nach Holland auf das E-Live-Festival geschafft. Alex, Du hast eine neue CD veröffentlicht. Auf dieser CD wird auch gesungen. Was hat's denn damit auf sich?

Eloquence ist keine normale CD, wo normale Leute, normale Sänger singen. Das ist eine CD, wo das erste Mal virtuelle Sänger singen. Das heißt nichts anderes als daß diese Stimmen computergeneriert sind, völlig künstlich, ohne menschliche Ausgangsmaterialien. Es werden hier keine Vocoder verwendet, die Stimmen kommen definitiv aus dem Cyberspace.

Ist das alles am Computer gemacht?

Das habe ich nicht ausschließlich mit dem Computer gemacht, sondern zusätzlich mit einer eigenen Hardwarelösung, die aus einem speziellen Chip besteht, die den menschlichen Vokaltrakt nachmacht. Diese Chips wurden ursprünlich entwickelt, um z. B. Blinden Bücher vorlesen zu lassen oder Telefonansagen zu automatisieren. Was wir dann mit einem amerikanischen Programmierer noch zusätzlich probiert haben, ist diesem Prototypen die Möglichkeit zu geben, nicht nur Stimmen und Sätze zu sprechen, sondern auch Melodien und die Länge der einzelnen Silben konkret zu fixieren. Dadurch haben wir diese Maschine zum Singen gebracht! Dieser Prototyp wird vorausichtlich nie in Serie gehen, wahrscheinlich würde keiner den hohen Preis zahlen. Die Entwicklungsarbeit war sehr aufwendig und hat auch sehr lange gedauert. Wenn man das verrechnen müßte, wäre das unbezahlbar für einen einzelnen Musiker.

Wie lange habt Ihr ungefähr gearbeitet daran?

Die Produktion selber hat 22 Monate gedauert. Allerdings hat das Projekt der Stimmensynthese schon vor drei Jahren begonnen. Auf die Idee mit dem Singen bin ich gekommen, als ich mit der Produktion von Eloquence begonnen habe. Es hat an und für sich nur mit gesprochenen Wörtern begonnen, wie man auf Kronado de Machino hören kann. Wir haben uns dann immer wieder einen Schritt vorwärts gewagt und gesagt: Jetzt einmal das gesprochene rhythmische Wort, dann das gesungene rhythmische Wort. Und so ist es vom Sprechen zum Singen gekommen.

Das Ergebnis ist ja ganz interessant. Bei Data Dreamings z. B. wird ja dann richtig gesungen.

Ja, für Data Dreamings haben wir sogar für den Vokalpart zum Refrain zweistimmige Sätze komponiert um das wirklich schon ein bißchen nach einer Pop-Produktion klingen zu lassen, wo professionell gesungen wird.

Das Stück heißt ja Data Dreamings '98. Auf Deiner Debut!-CD war auch ein Stück Data Dreamings drauf, da wurde auch schon gesungen. Waren das auch Computer?

Das waren die ersten Anfänge von dieser Maschine. Das war an und für sich nur ein Demo, konnte man nicht verändern. Die Melodie war vorgegeben. Deswegen mußte ich diesen Roboter am Ende bedauerlicherweise auch durch einen Elektroschock sterben lassen, weil diese Machine phrasenbezogen war. Das heißt, ich konnte nur die einzelnen Silben eingeben. Eine Silbe zu viel bedeute „fang eine neue Strophe an“, eine Silbe zu wenig er hört die Strophe unvollendet auf. Ich habe sehr lange mit dem Text gespielt, bis ich das rund bekommen habe. Ich hab's aber nicht rund bekommen, also mußte ich vorzeitig abbrechen lassen. Das hat aber dann gut ins Konzept gepaßt: Die Machine, die sich beschwert, weil sie keiner versteht.

Die Stimmen klingen ja - auch wenn sie nicht mit Vocodern gemacht wurden - ein bißchen so, wie Menschen klingen, wenn sie nach Computer klingen wollen. War das Absicht oder hat sich das einfach so ergeben?

Das hat sich insofern ergeben, weil die Art, wie dieser spezielle Computerchip die Stimmen generiert, nach dem Klatt-Sythesizer-Prinzip funktioniert. Der Klatt-Synthesizer ist ein System, das verschiedene Frequenzen ein- und ausblendet und im Prinzip ähnlich wie ein Vocoder funktioniert. Nur verwenden wir als Ausgangsmaterial nicht die menschliche Stimme, sondern computergenerierte Befehle, die auf diesen Chip einwirken und speziell diese Filter öffnen und schließen, so daß ein a, o, e entsteht.

Wie lange hast du ungefähr an so einem Stück gearbeitet.

Die Musik zu so einem Stück, das geht relativ schnell. Ich schaffe so ein Stück in zwei bis drei Wochen. Die Stimmen waren sehr aufwendig. Bei Being boiled habe ich 4 Wochen 8 Stunden am Tag an den Stimmen gefeilt. Bei Kronado de Machino war es etwas weniger aufwendig, weil da die Stimmen noch nicht gesungen haben. Die weitaus aufwendigste Version war das Model.

Alex, Du kommst ja aus Wien, aus Österreich. So wahnsinnig viele Elektronik-Musiker gibt's da nicht. Du bist glaube ich mit Robert Wittek noch befreundet. Wie bist Du eigentlich zur Elektronischen Musik gekommen?

Zur Elektronischen Musik bin ich gekommen, als ich ein Moped mit 16 Jahren haben wollte. Meine Eltern haben gesagt „Du kriegst kein Moped“. Ich habe damals schon Jean-Michel Jarre gehört und Thomas Dolby und solche Sachen, wollte mir einen Synthesizer kaufen, hatte aber nie das Geld dazu. Das war eigentlich der Grund, warum der Vater zu mir gesagt hat: Du kriegst kein Moped, ich schenke Dir einen Synthesizer. (lachen)

Ja, weitergegangen ist es dann, als ich die HTL, die höhere bundestechnische Lehranstalt für Elektrotechnik abgeschlossen hatte. Gleich danach habe ich die Elektrontechnik verlassen, bin in die Musikbranche gegangen, in ein Mastering-Studio, wo ich dann auch den Robert kennengelernt habe. Mittlerweile bin ich wieder in der Elektronikbranche tätig, wodurch ich auch mit den synthetischen Stimmen in Verbindung gekommen bin. Das war auch der Grund, warum ich diese beiden Fabels verbunden habe, die Elektronik einerseits und die Musik andererseits. Ich glaube, das ist auch ganz gut gelungen mit der Eloquence.

Woher kommt eigentlich der Name „Hybrid Machine“?

Das ist ein Kunstwort. Ich habe mich auch schon sehr lange mit der Mensch-Maschine-Thematik befaßt, wodurch der Name „Hybrid Machine“ gekommen ist. Meine Sichtweise zum Mensch-Maschine-Verhältnis unterscheidet sich ja generell von der von Kraftwerk. Die bezeichnen Mensch-Maschine immer als etwas freundliches oder freundschaftliches. Jeder, der Kronado de Maschine hört, wird vielleicht verstehen, daß ich etwas ganz anderes damit aussagen möchte. Es ist eine technik-kritische Platte, die nicht kritisieren soll, aber einfach Fragen in den Raum stellt. Der Hörer kann, darf, wenn er will, sich selber mit den Fragen auseinandersetzen. Oder die Musik einfach nur genießen. Je nachdem.

Wie geht's jetzt weiter bei Dir, hast Du ein neues Projekt in Angriff genommen?

Ich habe jetzt für die Eloquence ein eigenes Label gegründet (Virtual Music). Ich wollte diese Idee nicht einem Label überlassen, das nicht genug dafür tut oder den Wert dieses Produktes nicht erkennt. Ich habe vor, diese Maschine erstens einmal zu perfektionieren und zweitens das Label marketingmäßig zu stärken. Sprich es werden evt. auch Releases von befreundeten Musikern kommen. Im Moment bin ich noch sehr stark damit beschäftigt, die Promotion-Arbeit für Eloquence zu machen.

Zukunftsprojekte auf Grund der synthetischen Stimmen wird es sicher geben. Es haben sich einige Werbefirmen gemeldet, die für Internet-Accounts oder ähnliches werben, die wollen sowas haben, weil's irgendwie ganz trendy ist.

Viel Glück dabei. Ok, dann vielen Dank für das Interview!

Danke auch.