Interview mit Mars Lasar
Der Name Mars Lasar wird hier bei uns bisher nur den Wenigsten etwas sagen. Und das, obwohl Mars Lasar in den USA eine durchaus nennenswerte EM-Größe ist und dort gerade sein bereits 5. Album (Titel "11.02") veröffentlicht hat.
Doch das Internet macht es mal wieder möglich. Weit entfernte Regionen rücken näher, Trends und Szenen wachsen zusammen. Und so kam es auch, daß ich mehr oder weniger durch Zufall vor einigen Monaten auf die Mars Lasar-Homepage stieß. Von einigen Soundclips neugierig gemacht, nahm ich Kontakt mit dem Künstler auf und hatte schon wenige Wochen später das Vergnügen, mir vier Mars Lasar-CDs intensiv anhören zu können.

Und da erwarteten mich tatsächlich ein paar höchst interessante Kompositionen: Angefangen von phantasievoller, treibender Elektronik bis hin zu bombast-orchestralen Inszenierungen, die den Vergleich mit einem bekannten griechischen Großmeister durchaus nicht zu scheuen brauchen. Auf halbem Weg zwischen Optical Image und Vollenweider, irgendwo zwischen Megabyte und Vangelis, dann aber doch wieder völlig eigen - das ist die Musik von Mars Lasar.

Aber wer genau ist nun dieser Mars Lasar? MEMI hatte Anfang Mai 1998 die Möglichkeit, dem Künstler ein paar Fragen zu stellen ...


MEMI: Mars, hier in der deutschsprachigen EM-Szene ist Dein Name nicht sehr bekannt. Sag doch bitte zu Beginn unseres Interviews einmal ein paar Worte zu Dir. Wer bist Du? Wie alt bist Du? Wo lebst Du? Wie ist Dein musikalischer Werdegang?

ML:
Ich bin 34 Jahre alt und wurde in Deutschland geboren. Als ich etwa ein Jahr alt war zogen meine Eltern nach Australien. Mit klassischem Klavier und Komposition begann ich dort dann meine musikalische Karriere. Vor sieben Jahren hat mich Hans Zimmer eingeladen, mit ihm in Los Angeles zu arbeiten, und seither lebe ich hier mit meiner Frau und meiner Tochter.

Klassisches Klavier habe ich viele Jahre lang studiert, aber Synthesizer zogen mich schon in ihren Bann als ich 17 war. Ich hatte eine lokale Elektronikband namens "IQ", die ich aber nach ein paar Jahren verließ, um eigener Wege zu gehen. Ich arbeitete in Australien ständig an Kompositionen für Dokumentarfilme und als Soundprogrammierer/Designer auf dem Fairlight für Bands wie die "Divinyls". Ich war lange Jahre "Hofkomponist" bei Fairlight und gab auch kreativen Input für ihre R&D-Abteilung ab, als sie den CM II und CM III bauten. Meine Sequenzen wurden weltweit bekannt, deshalb bekam ich auch die Gelegenheit, mit Hans Zimmer, Herbie Hancock und Seal zu arbeiten. Hans hatte einen Fairlight und fragte mich, ob ich mit ihm am Soundtrack für "Tage des Donners" [mit Tom Cruise, Anm. d. Übers.] arbeiten wolle.

Als ich an diesem Projekt arbeitete, traf ich Trevor Horn, der Seals erste Platte "Crazy" produzierte, und er wollte mich für die Songs "Crazy" und "Killer" haben. Ich hatte einige Musik-CDs fürs Fernsehen produziert und nutzte diese als Demo. Schon innerhalb des ersten Monats nach dem Umzug nach Amerika hatte ich meinen ersten Plattenvertrag. Seit ich hier lebe, habe ich mit vielen verschiedenen Künstlern gearbeitet. Vor ein paar Jahren agierte ich als Produzent und Co-Autor für vier Songs auf Herbie Hancocks "Dis Is Da Drum", und ich habe auch mit Wah Wah Watson und Siedah Garrett gearbeitet, die "Man in the Mirror" von Michael Jackson geschrieben haben. Ich verbrachte sechs Monate in Paris, um die letzte CD der französischen Künstlerin Liane Foly zu produzieren und machte ein paar Songs für den Türken "Tarkan". Ich bekam Platin für einen Song, der auf dem Soundtrack zu "Jason's Lyric" drauf war, und für Disney hatte ich einen Song auf "The Sixth Man". Weiterhin arbeitete ich für verschiedene Fernsehserien wie "Baywatch". Vor ein paar Jahren hatte ich die Gelegenheit, mit Keith Emerson von Emerson Lake & Palmer zu arbeiten. Ich holte Keith, um mit mir den Titelsong für ein interaktives Videospiel zu schreiben. Eben habe ich ein Jahr Arbeit mit anderen Künstlern wie Rick Dufay (früher bei Aerosmith), Jon Stevens (Australia's Noiseworks) und John Sykes (früher bei Whitesnake) beendet. Jetzt bin ich gerade dabei, einen Lizenzvertrag bei Earthtone für meine neue Platte "11:02" zu unterzeichnen. Christopher Franke (Ex-Tangerine Dream) hat das Label vor ein paar Jahren aus der Taufe gehoben, und ich freue mich schon, mit ihm auf meiner nächsten Veröffentlichung zusammen zu arbeiten.

MEMI:
Bist Du hauptberuflich Musiker oder hast Du noch einen anderen Beruf?

ML:
Ich lebe von der Musik, seit ich 14 bin. Ich spielte auf Hochzeiten, dann auf einem Kreuzfahrtschiff. Für mein Alter habe ich eine Menge Geld verdient. Als ich bei "IQ" war, stand es ums Geld nicht mehr so gut, und ich mußte oft sehr billig leben. Normalerweise schlief ich bei Freunden auf dem Fußboden. Als ich bei Fairlight arbeitete, bemerkte ich, daß ich mit meiner Lieblingsbeschäftigung finanziell überleben konnte, und seither verfolge ich meine Musikkarriere. Anfangs gab Zeiten, in denen ich Teilzeit-Jobs annehmen mußte, damit alles hinhaut, aber in den letzten 14 Jahren lief es gut für mich.

MEMI:
Welche musikalische Grundbildung hast Du genossen?

ML:
Ich habe einen traditionell klassischen Background. Ich hatte private Klavierstunden in Jazz, Klassik und zeitgenössischer Musik und studierte danach am Konservatorium in Sydney, um einen Abschluß als klassischer Pianist und Komponist zu machen.

MEMI:
Spielst Du außer dem Keyboard (also dem Klavier) noch weitere Instrumente?

ML:
Meine Frau hat mir vor ein paar Jahren zu Weihnachten eine Gitarre geschenkt, und ich habe mir das Spielen selber beigebracht. Zuletzt kam dann noch ein Baß dazu. Es ist interessant, mit Instrumenten zu arbeiten, die du nicht kennst, weil die Kenntnisse um Harmonie und Melodie eigentlich alles sind, was man für etwas Wohlklingendes braucht. Manchmal mag ich es einfach, nicht zu wissen, was ich mache.

MEMI:
Wann und wie hattest Du zum ersten Mal den Kontakt mit der Elektronischen Musik oder mit Synthesizern?

ML:
Elektronik hat mich immer fasziniert, aber sie mit Musik in Verbindung zu bringen schien zu jener Zeit sehr weit her geholt. In der Schule experimentierte ich mit Kassettenaufnahmen von Kurzwellensounds aus dem Radio. Es war zwar primitiv aber aufregend. Das Hauptmerkmal war jedoch immer dieses eine Stück Klang, von Wiederholungen keine Spur. Währenddessen spielten all die anderen Jungs draußen Fußball. Ich begann mit 13, Popvideos zu schauen und war überrascht, welche Sounds von kleinen Vier-Mann-Bands kamen.

Kurz danach hatte ich einen Arp Odyssey in meinem Zimmer, den mir meine Eltern gekauft hatten. Diese Maschine war so überwältigend, daß ich zuerst keinen blassen Schimmer hatte, was ich damit anfangen sollte. Ich brachte ganze Nächte damit zu, an einem einzigen monophonen Sound zu basteln, den man noch nicht mal abspeichern konnte. Bei einigen Nachforschungen geriet ich an Roland, die alles boten, was ich zu diesem Zweck brauchte. Ich hatte einen CSQ-60 (Sequenzer für 60 Events), einen Pro-Mars Synthesizer (duophon), einen SH101 String Synth, ein Rhodes 73 E-Piano, einen Korg Synthesizer (ich erinnere mich nicht mehr an den Namen) und den ersten programmierbaren Drumcomputer, den "Doctor Rhythm". Er hatte nur zwei Pattern, aber im Gegensatz zu anderen Drummaschinen konnte man hier eigene Rhythmen erstellen. All das ergab mein erstes elektronisches Orchester, verbunden über externe Clock-Impulse. Aber das war nicht genug, ich brauchte mehr Power! Ich besuchte ein paar Messen und sah dort den "König der Synthesizer", den "Fairlight Computer"!

Ich war mit IQ unterwegs und wir hatten gerade unsere Arbeit als Vorband von Mike Oldfield beendet, aber ich mußte einen Job als Maler annehmen, um mich über Wasser halten zu können. Zufällig war der Besitzer des Hauses, das ich streichen sollte, Vorsitzender bei Fairlight. Ich erzählte ihm, daß ich Musiker bin, und er sagte, er sei bei Mike Oldfields Konzert gewesen und habe es toll gefunden. Er fragte mich, ob ich nicht bei Fairlight arbeiten wolle, und genau da fing der ganze Spaß richtig an. Sampling war in mein Leben getreten und machte es theoretisch möglich, mir mein eigenes "echtes" Orchester und die zugehörigen Arrangements schnell zusammenzustellen (das war sehr attraktiv für den Klassiker in mir). Ich arbeitete stundenlang mit den Programmierern, die mir bis ins Detail beschrieben, warum man Tremolo, Vibrato und Anschlagsdynamik brauchte und wie man das elektronisch lösen konnte. Zu diesem Zeitpunkt bot der Fairlight nur eine wiederholbare Phrase (dargestellt am Bildschirm) mit einer Samplingzeit von einer Sekunde bei 10 kHz. Man konnte dabei bis zu acht Samples erstellen und über eine der acht Karten im Mainframe spielen.

MEMI:
Wer sind Deine musikalischen Vorbilder?

ML:
Ich wurde von einer Vielzahl von Künstlern beeinflußt, darunter Tangerine Dream, Kraftwerk, Mike Oldfield, Emerson Lake & Palmer, Genesis, Led Zeppelin, Herbie Hancock, Peter Gabriel und Beethoven, um nur ein paar zu nennen. Zuletzt waren es William Orbit, Portishead, Tricky, Neneh Cherry, Deep Forest und Enigma.

MEMI:
Kennst Du die europäische Elektronik-Szene?

ML:
Nicht so gut wie ich gerne würde. Als ich an meinem letzten Projekt in Paris arbeitete, stellte ich fest, daß die Europäer in ihrem musikalischen Geschmack nicht so festgefahren sind wie in den Staaten, wo alles in Schubladen gesteckt wird und stereotyp ist.

MEMI:
Was hältst Du von der sogenannten "modernen" Elektronik, also House, Trance, Ambient & Co.?

ML:
Die Idee, seltsame und farbige Klänge mit einem regelmäßigen Beat zu kombinieren, ist nicht neu, lediglich die Werkzeuge wechseln und spiegeln die derzeitige elektronische Weiterentwicklung. Das Instrumentarium, das uns heute zur Verfügung steht, ermöglicht uns Dinge, von denen wir noch vor 10 Jahren nur träumen konnten. Trance, Ambient, Trip-Hop etc. vermischen sich schnell mit dem Mainstream, und ich glaube, Künstler und Labels suchen nach etwas anderem bei der Produktion ihrer Songs als gerade so am Rande des Akzeptablen zu bleiben. Es ist toll, wenn man auf der kreativen Seite sein darf, weil man einen Brotberuf haben und gleichzeitig ein bißchen abenteuerlustig sein kann.

Wäre es nicht prima, wenn die Soundbastler in Zukunft keine CDs sondern Luft pressen könnten, damit die Sounds sich in deiner Umgebung verbreiten? Das würde bedeuten, man würde in der Musik leben, d.h. man hört sie nicht, man fühlt sie!

MEMI:
"Mars Lasar" ist doch sicherlich nicht Dein richtiger, bürgerlicher Name. Wie kam es zu diesem Künstlernamen bzw. was hat es damit auf sich?

ML:
Du kannst das glauben oder nicht, aber ich habe mir meinen Namen gar nicht selbst ausgesucht, es waren meine Klassenkameraden in der High School. Ich war süchtig nach diesen Mars-Schokorieglen, und weil ich so viele davon aß, nannten die Kinder mich Mars. Das ist hängengeblieben, und jetzt habe ich mich so daran gewöhnt, daß ich schon auf gar nichts mehr anderes höre.

MEMI:
Dein Album "Olympus" war der "Soundtrack" zu den Olympischen Spielen 1992 in Albertville. Wie kamst Du zu der Ehre, diesen Soundtrack komponieren zu dürfen?

ML:
Der Herausgeber, der mit meiner Plattenfirma zusammenarbeitet, schickte CBS die "Olympus", und sie mochten sie so, daß sie sie auf ihre Playlist setzten. Bei den diesjährigen Olympischen Spielen in Japan lief das chinesische Eiskunstlaufpaar zu zwei meiner Stücke. Man hatte mir nichts davon gesagt, und ich war angenehm überrascht, meine Musik aus dem Fernseher kommen zu hören, während sie ihre Runden drehten. Leider haben sie nicht gewonnen, aber ich glaube nicht, daß sie mir die Schuld gaben ...

MEMI:
Auf irgendeinem Deiner CD-Cover habe ich gelesen, daß von "Olympus" über 50.000 Alben verkauft wurden. Das ist ja schon eine ganz ansehnliche Menge. Ein Nobody kannst Du also wohl nicht mehr sein ...

Wie hoch schätzt Du selbst Deine Popularität in den USA ein?

ML:
Mein Bekanntheitsgrad ist schwer festzumachen, weil ich nicht auf Tour und nur bei einer kleinen unabhängigen Plattenfirma unter Vertrag war. Meine Website hat jede Menge Besuche, und meine CD "Eleventh Hour" machte sich im Radio wirklich gut. Sie kletterte auf Position 11 in den Billboard NAC Charts. Das einzige Konzert, das ich gab, war im China Club in Chicago, und der Saal war brechend voll. Das ist ein gutes Zeichen. Auf meinen letzten Platten kam ich etwas vom radiotauglichen Sound ab, entsprechend wenig Airplay hatte ich, aber "Olympus" und "Eleventh Hour" werden immer noch überall gespielt. Ich kriege eine Menge Fanpost, nicht nur aus Amerika, sondern aus aller Welt. Die meisten Ausländer kaufen meine CDs entweder online oder per Mailorder und Katalog, weil ich bisher keinen internationalen Vertrieb hatte. Hoffentlich ändert sich das noch.

MEMI:
Deine neueren Alben ("The Music of Olympic National Park", "Escape") klingen i.a. ruhiger, besinnlicher und sehr viel akustischer als z.B. "Olympus" oder "The Eleventh Hour". Spiegelt das Deine Stimmung wieder oder wie erklärst Du diesen Trend?

ML:
Mir wird langweilig, wenn ich zu lange bei ein und demselben Format bleibe, weil ich gerne mal ausschere und andere Felder beackere. Diese Platten haben mir das erlaubt, aber meine neue Platte geht zurück in Richtung "Eleventh Hour".

MEMI:
Viele Deiner neueren Werke sind außerdem sehr orchestral angelegt. Wieviele der Naturinstrumente, die man dort hört, sind echt und wieviele kommen aus der "Konserve", also aus einem Synthy oder Sampler?

ML:
Ich besitze zwei Synthesizer und einen Macintosh, vollgestopft mit SampleCell-2 Karten und ProTools. Früher war es schwer und teuer, an Samples zu kommen, aber heutzutage kannst du zum Musikladen um die Ecke gehen und fix und fertig bearbeitete Aufnahmen für deine Keyboards auf CD oder CD-ROM kaufen. Die Libraries sind akkurat und sehr brauchbar. Ich habe genug RAM auf meinen Karten, um so viele Samples zu spielen, wie ich will. Sampling heißt nicht mehr Zwei-Sekunden-Schnipsel von Bass Drums und Snares zu verwenden, sondern sind ausgesuchte Aufnahmen, die man nach Wunsch an jeder Stelle in einem Musikstück einsetzen kann. Für Drums benutze ich abgemischte Live-Einspielungen, die auf einen Takt plus Fill-Ins zusammengeschnitten werden. Musiker bemühe ich nur, wenn ich eine ganz bestimmte Aufnahme extra für einen speziellen Song brauche, so geschehen in Sapphire Dreams. Danach nahm ich das Klavier auf, legte die Samples im Computer ab und verpackte die Einspielung in die Orchesterparts aus meiner Library. Auf "Eleventh Hour" brauchte ich ein paar Stimmen und gabe den Text daher ein paar Freunden und nahm sie auf meinen tragbaren DAT-Rekorder auf. Dann transferierte ich die Aufnahmen ins RAM und verteilte sie über das Stück. Eine Prozentangabe ist schwierig, weil mein akustisches Material aus meinen Samplern und das elektronische aus den Synthesizern kommt.

MEMI:
"The Music of Olympic National Park" lebt ja unter anderem von den vielen Naturgeräuschen, die unter die Musik gemischt sind. Die Geräusche, die man dort hört, klingen erstaunlich authentisch. Hast Du die selbst aufgenommen oder stammen die einfach von einer guten Sampling-CD?

ML:
Für dieses Projekt brauchte ich Aufnahmen, die zu der Umgebung paßten, die ich beschreiben wollte. Ich mußte dafür einiges an Nachforschungen anstellen und hatte zwei Möglichkeiten: 1. Geh' in den Park und nimm all die Sounds auf oder 2. Finde die Sounds auf CD. Ich war erstaunt, was es alles auf CD gab, und so kaufte ich sie alle und wühlte mich durch. Nach ungefähr zwei Wochen sampelte ich die passenden Klänge für jeden Teil des Parks.

MEMI:
Welche Geräte verwendest Du vorrangig, um möglichst authentische Naturinstrumenten-Sounds zu erzeuen? (- jetzt mal abgesehen von den tatsächlichen Naturinstrumenten! ;O)

ML:
Was ich brauche, ist ein Satz guter Mikrophone, ein gutes Aufnahmegerät und eine solide CD-ROM-Sammlung. Für Akustiksounds nehme ich keine Synthesizer.

MEMI:
Welche drei Synthesizer (bzw. Sampler, etc.) setzt Du grundsätzlich am häufigsten ein?

ML:
Ich benutze den Roland JD-800 für breite Stereoflächen, den Nord Lead für die eher antiquierten Synthsounds und Digidesigns SampleCell-2 für alle Samplingaufgaben.

MEMI:
Wie gehst Du vor, wenn Du einen Song schreibst? Womit fängst Du an?

ML:
Normalerweise fange ich mit einem Gerüst an, das die Richtung grob vorgibt. Abseits der üblichen Pfade heutiger Musik (die ich möglichst vermeide) sind die danach folgenden Schritte schwer zu beschreiben, weil der Vorgang von alleine abzulaufen scheint; das ist die Magie der Kunst. Manchmal wache ich morgens um Vier auf, renne hinunter ans Klavier und spiele einen Song, den ich im Traum komponiert habe. Am nächsten Tag nehme ich davon eine Skizze in den Computer auf und lege sie beiseite, bis ich sie brauchen kann, und das kann Wochen oder Jahre dauern. Oft schreibe ich einen Song und schweife mittendrin plötzlich ab und mache ein total anderes Stück daraus. Ich lege das dann beiseite und benutze es später als Grundlage für einen neuen Song. Das klingt verwirrend, aber der Trick ist, alle guten Ideen bei ihrem Auftauchen aufzunehmen. Laß sie niemals an dir vorbeiziehen!

MEMI:
Komponierst Du auf dem Papier, am Klavier oder direkt am Sequencer?

ML:
Ich bin auf keinen Weg festgelegt, und es kommt wirklich darauf an, an welchem Instrument ich sitze. Ich habe mit vielen Künstlern und Komponisten gearbeitet, die alle verschiedene Methoden haben. Ich tendiere dazu, mit dem Strom zu schwimmen.

MEMI:
Arbeitest Du grundsätzlich viel mit dem Sequencer oder eher mit Mehrspur-Recording-Systemen?

ML:
Digital Recording hat die Industrie verändert, und ich muß zugeben, daß es mehr Spaß macht als die althergebrachte Methode (2"-Analogaufnahme). Ich schaue immer auf die Arbeitsgeschwindigkeit, und ich würde alles tun, um die Magie auf Band oder Festplatte zu bannen. Wenn eine Aufnahme einen warmen Klang haben soll, nehme ich auf Analogband auf und übertrage sie auf meinen Computer für weitere Bearbeitungen, Tonhöhen- oder Längenkorrektur, kopieren und einfügen. An diesem Punkt wird das Ganze interaktiv.

MEMI:
Produzierst Du Deine Titel alle selbst bis zur CD-Reife oder läßt Du extern nachproduzieren und/oder mastern?

ML:
Bei meinen eigenen CDs mache ich fast alles selbst, einschließlich Komposition, Einspielung, Programmierung, Abmischung und Produktion. Hin und wieder nehme ich einen Live-Musiker oder einen Co-Autor hinzu, aber das ist selten und macht nicht viel von der Gesamtaufnahme aus. Allerdings nehme ich für das Mastering ein anderes Unternehmen in Anspruch, ganz einfach weil ich zu nahe an meiner Musik dran bin und es manchmal gut ist, eine objektive Meinung zu bekommen. Wenn ich mit anderen Künstlern arbeite, variiert meine Mitarbeit. Falls ich in ein anderes Studio gehe, nehme ich Frank Rosak, meinen Mischer, und einen zweiten Mann mit, damit ich mich auf die Performance des Spielers oder Künstlers konzentrieren kann.

MEMI:
Machst Du außer der Musik unter dem Mars Lasar-Label auch noch andere Musik (andere Stilrichtungen)?

ML:
Ja, ich sehe ich mich immer nach neuer Arbeit um, und in den letzten Jahren habe ich viel Zeit damit verbracht, mit neuen Komponisten, Textern und Künstlern zusammenzuarbeiten. Die Stile bewegen sich zwischen R&B Pop, Alternative Pop, Rock Fusion, klassischem Pop und Ambient. Ich habe auch einen Katalog mit über vierhundert Titeln, einschließlich Produktions-CDs fürs Fernsehen, Firmenvideos und andere Post-Production-Anwendungen. Ich habe auch für Dokumentationen gearbeitet, manchmal habe ich die Musik gemacht, ein andermal wieder nur das Sounddesign. Auch habe ich die Soundtracks für sechs interaktive Videospiele kreiert. Ich habe drei Meditations-CDs und ein CD-Set speziell für Babys herausgebracht. Kürzlich habe ich drei Stücke für die weltberühmte Hellseherin Colette Baron Reid geschrieben. Jedes Stück basiert auf einem bestimmten Gefühl (d.h. Liebe, Intuition etc.), und obwohl der erste Mix Pop ist, ist der zweite Mix jedes Songs ein Meditationsstück.

MEMI:
Was sind Deine musikalischen Pläne für die nächsten Jahre?

ML:
Ich habe so viele Pläne, daß ich ihnen die Hälfte der Zeit gar nicht nachgehen kann. Ich sehne mich so nach Vielseitigkeit, daß es unheimlich schwer ist, sich auf ein Ding zu konzentrieren. Somit sieht meine Zukunft aus wie eine Landkarte mit tausenden von Markierungsnadeln. Ich denke, ich bin glücklich, wenn ich weiterhin meine eigenen Platten herausbringen kann und frei bin, jeden Song draufzutun, den ich gerne hätte. Ich werde aber auch Produktion und Songwriting weiterverfolgen und mit etablierten oder neuen jungen Künstlern arbeiten und deren Richtung und Stil weiterentwickeln. Mein größter Traum wäre es, ein top Studio zu besitzen, wo ich alles zu Hause machen könnte, und am liebsten hätte ich einen festen Vertrag mit einem Label. Wenn ich bei einer Plattenfirma unterschreiben könnte, die die CDs meiner Zöglinge herausbringt, würde das meine Wünsche weitestgehend erfüllen. Ich würde auch gerne eine Tour machen, aber es müßte schon eine große Produktion sein, die es mir ermöglicht, all meine Klänge auch auf der Bühne zu reproduzieren.

MEMI:
Vielen Dank, Mars!


Diskographie

Solo-Alben:

  • 1991: Olympus
  • 1992: The Eleventh Hour
  • 1995: Escape
  • 1996: Olympic National Park
  • 1997: Sapphire Dreams
  • 1998: 11:02
OMNI Magazine collection:
  • Compilations 1993/4
  • MindScapes - 3 CD relaxation series 1996
  • BabyScapes - 2 CD relaxation series specifically for babies 1996
Compilations / andere Künstler:
  • Divinyls (1987)
  • Seal (1990)
  • Herbie Hancock (1994)
  • Sovory (1993)
  • John Sykes (1997)
  • Tarkan (in Produktion)
  • Rick Dufay (in Arbeit)
  • Jon Stevens (in Arbeit)
  • Alisa Carroll (kurz vor der Herausgabe)
  • Ayman (1998)
  • Colette Baron Reid (in Arbeit)


Mars Lasar's Musik kann bezogen werden bei:
    Town Music
    Joachim Wawrczeck
    Fahrstraße 2/4
    D-56814 Ernst (Mosel)

    Telefon: +49 (0) 2671-236
    Telefax: +49 (0) 2671-251


Weitere ausführliche Infos, Soundclips und mehr gibt's auf der offiziellen Mars Lasar-Homepage: http://www.marslasar.com/.



Das Interview führte Martin Rothhaar im Mai 1998 per EMail. Vielen Dank an Christian Baum für die Übersetzung!