Interview mit Stephen Parsick

Stephen Parsick hat Anfang des Jahres seine erste Solo-CD Traces of the Past bei Spheric Music veröffentlicht. Zuvor ist bereits eine CD von ihm zusammen mit Lambert Ringlage erschienen. Außerdem ist er Mitglied der Formation Ramp, deren Debut-CD in Kürze bei Manikin erscheint.

Das Interview ist am Rande des Alfa Centauri-Festivals am 21.03.98 in Huizen entstanden.

Stephen, Du hast gerade Deine Solo-Debut-CD „Traces of the Past“ veröffentlicht. Du spielst Musik wie man sie eigentlich auch vor 20 Jahren schon hätte spielen können, und trotzdem sind die Leute begeistert.

Ja, ob sie begeistert sind, das hat sich bis jetzt noch nicht herausgestellt. Sagen wir mal so: Die Produktion ist dafür noch nicht lange genug draußen, ich habe sie ja jetzt erst einen Monat.

Die Reaktionen, die ich bislang mitbekommen habe, waren eigentlich schon ganz positiv. Ich selbst finde die CD eigentlich auch ganz gut. In der Keyboards bist Du gut weggekommen...

Ja, ok, da muß ich Dir natürlich recht geben. Sagen wir mal so: Für den Start läßt es sich ganz gut. Es hat bis jetzt auch noch niemand geröhrt und hat gesagt „Mein Gott, was hast Du denn da für einen Mist gebaut“, sondern es sagen halt eben alle, es klingt sehr retrospektiv und sehr altmodisch. Aber auf eine angenehme Art und Weise, weil es eben nicht so den Raubbau betreibt an der Tradition sozusagen.

Wie kommt es, daß Du diese Art Musik machst? Du fällst ja mittlerweile doch schon ziemlich aus dem Rahmen damit.

Du hast im Grunde genommen die Frage schon mit beantwortet: Jeder heutzutage macht Elektronische Musik, wenn er irgendwie eine M1 oder einen D50 zu Hause stehen hat, und es klingt dann auch alles ziemlich ähnlich. Und ich versuche eben, a) durch die Instrumente die einsetze, mich so ein bißchen abzuheben und damit geht einher b), nämlich daß der Klang sich auch unterscheidet. Ich mag einfach diese Musik aus den 70er, weil sie so spontan und so vollkommen unvorbelastet entstanden ist. Die Leute haben sich nicht großartig den Kopf darüber zerbrochen „was spielen wir jetzt?“, sondern sind hingegangen und haben einfach was gemacht. Und das wude entweder toll, dann haben sie es auf Platte rausgebracht, oder es wurde Grütze, dann haben sie es auch manchmal auf Platte rausgebracht, aber so im Großen und Ganzen haben sie einfach nur gespielt - im wahrsten Sinne des Wortest.

Auf Deiner CD veröffentichst Du die Sachen, wo Du meinst, daß man die veröffentlichen kann?

Sagen wir mal so: 95 ist die CD mit Lambert herausgekommen, und davor gab es eigentlich schon immer wieder Fragen „Du machst doch auch Musik. Wann kommt mal was von Dir?“ Meine Antwort war dann immer: Ja, ich mache Musik, aber was dabei rumgekommen ist, war bislang nicht so toll gewesen, daß ich's hätte rausbringen müssen. Und nachdem ich mit Klaus die Session gefahren hatte, war plötzlich genug Material da, wo ich gesagt hatte: Au ja, das ist schön, da kann man was draus machen. Das lohnt sich auch, das ist also nicht irgendwie so ein Zeug wie aus dem Schritt gequält.

Du erwähntest gerade schon Lamber und Klaus - das ist Klaus Hoffmann-Hoock wahrscheinlich?

Richtig, ja.

Du machst auch viel Musik mit anderen zusammen. Wie bist Du jetzt gerade mit Klaus zusammengekommen? Ihr seid doch zwei völlig unterschiedliche Generationen?

Wir haben uns 89 kennengelernt. Da war mal ein Konzert irgendwo in Bremen angekündigt und Winfrid hatte in Schwingungen durchgesagt „Ja, da findet was statt“, und ich hatte nicht genau mitbekommen, wo das sein sollte. Und ich wußte nur, daß Klaus auch irgendwie am Niederrhein wohnt. Ich habe mir einfach mal eine Platte im Plattenladen geschnappt: Aha, Adresse hinten drauf und geröhrt: Na guck mal einer an, das ist ja fast bei mir um die Ecke. Und da habe ich einfach im Telefonbuch nachgeguckt, und da stand Klaus dann drin, und dann habe ich mal angerufen: „Ja hallo, ich bin der und der. Sind Sie der Klaus Hoffmann von Mind over Matter?“ „Ja, das bin ich wohl. Wie alt bist Du denn?“. „Ja“ sag ich, „ich bin 17“ - das war ich zu der Zeit. „Da kannst Du auch 'Du' zu mir sagen“. „Ja“ sag ich, „kein Problem“. Da haben wir uns dann 1 ½ Stunden festgequakt und haben festgestellt, daß wir sehr viele Ähnlichkeiten haben, so was Instrumente z. B. angeht. Wir sind beide glühende Verehrer des Mellotrons und des MiniMoogs. Ja, und seit her haben wir sehr viel miteinander unternommen, und wollten auch immer mal Musik miteinander machen. Da haben wir mal zusammen gejammt und fanden das ganz lustig, und da wurde das langsam aber sicher spruchreif mit einer eigenen Produktion. Ich habe gefragt, ob er Lust hätte, mitzumachen, ob wir nicht einfach mal was zusammen aufnehmen sollen. Das haben wir dann an einem Nachmittag gemacht, und das Resultat hat uns beide überrascht.

Ich denke, Ihr ergänzt Euch ganz gut. Du bist ja auch auf der neuen Mind over Matter-CD beim Titelstück „Avatar“ mit dabei.

Jaa, ja. Sagen wir mal so: Das ist der größte Schritt, der mir bis jetzt gelungen ist. Ich habe mir selbst nicht träumen lassen, mal bei IC auf 'nem Tonträger zu sein.

Ich habe das Stück gestern mal gehört: Man hört Dich raus, das muß man Dir lassen.

(Stephen lacht)

Gehen wir mal zurück zu der Art, wie Du Musik machst: Ich meine, die Art und Weise, wie Du das machst, da steht Dir ja das ganze moderne Equipment wie Computer und so nicht zur Verfügung. Wie gehst Du vor?

Ich entwickele Musik eigentlich so on the fly: Das heißt, während ich mit den Instrumenten arbeite, entwickele ich auch die Stücke. Das heißt also, wenn ich also mit den Analog-Sequenzern z. B. rumfuhrwerke, dann entwickeln sich dabei beim Programmieren bestimmte melodische, rhythmische Motive, wo ich denke: Hmm, das hat irgendwie was, das hat 'nen Haken, das zieht Dich mit. Dann entwickele ich meistens danach Rhythmusfiguren, entweder auf der Standardrhythmusmachine TR 808. Manchmal setze ich auch einen EKO-Computerhythm ein, so daß ich mir quasi so ein rhythmisches Gerüst zusammen baue, mit dem ich anschließend arbeiten kann. Und meistens, wenn Du so eine Rhythmussequenz hast in einer bestimmten Tonart, dann findest Du automatisch Akkorde, die dazu passen. Und dazu wird dann eigentlich improvisiert, auf der Basis. Und je nachdem ob Du einen guten Tag hast oder nicht, zündet's oder es zündet nicht. Aber ich habe bis jetzt noch nie mit Midi-Equipment gearbeitet, weil ich persönlich mit Computern nicht warm werde. Das ist eine Sache, die verstehe ich nicht, ich weiß nicht wie das funktionieren soll da drin. Und ich habe auch immer das Gefühl - ich meine, daß ist jetzt ein bißchen arrogant, wenn ich das sage - die Leute editieren, wenn sie am Computer ihre Stücke gerade biegen, so mit dem Quantisierungshammer ran gehen, editieren sie auch ein bißchen die Spontanität und die Energie raus. Und das versuche ich eben in meiner Musik mit einzubringen. Und was ich auch versuche ist, eine gewisse Selbstdisziplin auch an den Tag zu legen. Wenn Du mit dem Computer arbeitest, weißt Du: Gut, wenn ich mich jetzt hier verspiele, kann ich anschließend gerade biegen. Und ich spiele ein Stück einmal, und versuche es so gut wie möglich zu machen, mit so wenig Fehlern wie möglich. Das ist auch immer ein bißchen Selbsttraining.

Also Improvisation ist bei Dir sozusagen das Schlüsselwort?

Ja, absolut, ja.

Gut, dann hoffe ich, daß wir irgendwann auch mal eine zweite Solo-CD von Dir hören und ansonsten Dich auch in möglichst vielen anderen Produktionen noch hören. Ich denke, Dein Stil läßt sich gut auch mit anderen Mischen.

Ja hoffentlich. Bis jetzt hat sich noch niemand beklagt, daß er mit mir zusammen gearbeitet hat. (lacht) Aber ich denke mal, die nächste Solo-Produktion nicht vor der Jahrtausendwende, und jetzt vielleicht ein bißchen mit dem Ramp-Projekt was, das vielleicht da was raus kommt und wir auf der Schiene musikalische Dinge mal ein bißchen was abdecken können. Also nicht nur Berliner Schule, sondern auch Ambiente-Musik und - ich nenne das moderne Tanzmusik, also Drum'n'Base, TripHop, so diese Schiene.

Also Ramp, das muß vielleicht dazu sagen, machst Du mit Frank Makowski hauptsächlich zusammen...

Richtig.

... und da sind auch noch ein paar andere bei, und das ist sehr experimentell auch?

Äh, ja, wir versuchen das ein bißchen offener zu halten, was die Musikrichtung angeht. Es ist von Frank, Lambert und mir in Leben gerufen worden, und Lambert hat sich dann nach der zweiten Session, die wir 96 gefahren haben, ausgeklinkt, und hat gesagt: „Das ist nicht mehr meine Musik, damit möchte ich eigentlich nichts mehr zu tun haben. Macht Ihr ruhig weiter, aber mich reizt das. Es war mal interessant, das ausprobiert zu haben, aber ich möchte da nicht meinen Namen drunter stehen sehen“. Ja, und dann kam es eigentlich durch Zufall, daß das Light Wave-Konzert in Oberhausen, Gasometer... für Frank und mich so eine Art Offenbarung. Wir dachten, warum probieren wir nicht auch mal sowas aus. Wir haben uns nach einer Sängerin umgeguckt, die jetzt bei uns auch sagen wir mal fast fest eingestiegen ist, und mir ihr geht's mehr so in die ruhige Ambiente-Richtung. Das ein bißchen gepaart mit Dead can Dance-Einflüssen - was ich sehr gerne rein bringe - und mit Stefan Kraft aus Gelsenkirchen geht's dann mehr in die experimentelle Elektro-Abteilung. Und das kann also alles mögliche zwischen TripHop und Mouse on Mars sein.

Also sehr vielseitig. Ich habe ein paar Sachen mal gehört, einiges gefällt mir, anderes nicht, aber gut...

Ist ja ok. Wir versuchen ja auch ein möglichst breite Basis anzusprechen. In der Elektronik-Szene ist es so: Wenn Du Deine 500 CDs verkauft hast, ist in der Regel der Markt gesättigt. Und es ist doch wesentlich angenehmer, wenn Du auch einen Markt außerhalb der Szene erreichen kannst, der sich dann plötzlich für das interessiert, was innerhalb der Elektronik-Szene passiert. Das ist eine Rückbefruchtung sozusagen.

Finde ich auch in Ordnung, diese Einstellung.

Ich meine: Einfach mal ausprobieren, einfach mal gucken, was möglich ist. Und später kannst Du dann immer noch sagen: Nee, das war's nicht, das brauchen wir nicht nochmal zu machen. Aber von vorneherein zu sagen: Ja, nee, muß nicht sein - das würde ich nicht sagen. Alles erst mal ausprobieren.

Ja, gut, dann vielen Dank für das Interview.

Ich habe auch zu danken, daß Du mich gefragt hast, das meine Meinung als so wichtig erachtet wird. (lachen)

Ich denke, wenn jemand eine neue CD herausgebracht hat, sollte man ihm auch die Gelegenheit geben, was dazu zu sagen...

Danke schön. Ciao!

Danke an Frank Makowski für's Korrekturlesen!