Feature: Syreen [Berlin TripHop]
 
 

Konzertbericht
Interview

Eure Meinungen

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Offizielle Homepage:
www.syreen.de

Syreen auf mp3-Sites:
MP3.com
Besonic
Callasong
Virtual Volume

Es ist heiß an diesem 5. Juli 2001 in Bochum. Ein richtig schöner Sommertag, ideales Wetter also für eine Open Air-Veranstaltung. So ist es denn auch nicht verwunderlich, daß das "Bermuda-Dreieck" in der Bochumer Innenstadt bestens besucht ist. Es ist der erste Tag des "Bochum total"-Festivals, bei dem an 4 Tagen unzählige Acts aus den verschiedensten Stilrichtungen auf drei Bühnen auftreten.

Mich hat der Auftritt von der Berliner Trip Hop-Formation Syreen nach Bochum gelockt. Syreen, das sind Henri Hagenow - verantwortlich für die elektronischen Klänge - und die Sängerin Lan Syreen.

Nachdem die Vorgänger-Band die Bühne am Konrad Adenauer Platz geräumt hat, rollt Henri sein Equipment auf die Bühne. Der Soundcheck findet zwangsweise vor Publikum statt - was allerdings einige Zuschauer schon zum Bleiben ermuntert. Mit wenigen Minuten Verspätung beginnt dann um kurz vor neun das eigentliche Konzert. Es stampft, blubbert und brodelt aus den Boxen. Es ist keine leichte Kost, die Henri den Zuhörern serviert. Die Klänge sind schwer, kantig, mitunter düster - ungwohnte Kost für Ohren, die von Klaus Schulze & Co an elektronische Klänge gewöhnt worden sind. Ganz im Gegensatz dazu steht der Gesang von Lan: Eine klare Stimme, die Vocals viel harmonischer als die Musik, die Melodien meist recht eingängig - das federt die schweren Klänge aus dem Hintergrund ab und macht das Zuhören doch angenehm. So füllt sich der Konrad Adenauer Platz denn auch schnell mit Besuchern, die interessiert stehen bleiben.
Das Repertoire beinhaltet natürlich auch die auf mp3.com veröffentlichten Titel "Back To Me", "Little State Family" und meinen Lieblingssong von Syreen, "Prayer Of My Heart". Die Vocals sind selbstverständlich live gesungen, die Texte bis auf eine Ausnahme alle in englischer Sprache. Die Musik scheint vom Band zu kommen - Henri dreht und stellt im Hintergrund fast pausenlos an irgendwelchen Knöpfen. Bei einem Song spielt Lan Flöte.
Leider ist Lan zwischen den Songs etwas wortkarg, das ein oder andere Wort zu den Titeln wäre vielleicht nicht schlecht gewesen. Meist gibt's aber nur ein "Danke" für den Applaus.

Nach etwa einer Stunde kündigte Lan dann den "zunächst letzten Song" an. Das führt zu einigen Irritationen im Anschluß, ein Zuschauer fragt mich ob's denn noch weiter geht. Scheinbar nicht, und so trete ich denn auch den Rückzug an.

Frank Korf

Einige Tage nach dem Konzert stehen und Syreen per Email Rede und Antwort:

"Trip Hop" ist mittlerweile ein ziemlich überladener Begriff, sogar die Cafe del Mar-Sampler werden da mit einsortiert. Ihr führt "Berlin TripHop" ja quasi als Untertitel im Namen. Was ist nach Eurem Verständnis Trip Hop?

Henri: Gerade wegen der Überstrapazierung des Begriffs TripHop haben wir ja den Zusatz [Berlin TripHop] an unseren Namen angefügt. Das ist so eine Art Abgrenzung zu dieser mittlerweile sehr schwammigen Bezeichnung. Wir wissen ja schon selbst nicht mehr so genau, was dieser Begriff bedeutet. Wir wissen aber ganz genau, was [Berlin TripHop] ist. Da geht es um unser eigenes Verständnis von TripHop und von unserem Leben und den persönlichen Erfahrungen in Berlin. Wer das ganz genau wissen möchte, sollte mal bei uns reinhören! Zusätzlich schaffen wir damit eine gewisse Transparenz. Jemand, der gerne elektronische, gefühlsbetonte Musik hört und den Namen ‚Syreen' liest, wird sicher nicht so schnell aufmerksam, wie jemand, dem im gleichen Moment auch noch [Berlin TripHop] ins Auge springt. Mit diesem Zusatz im Namen erhalten diejenigen, die uns noch nicht kennen, eine Art Informationspaket, das eventuell neugierig auf den Inhalt macht.

Lan: Ich finde, den Beats nach kann man Hip Hop, Drum´n´Bass und Trip Hop schon gar nicht mehr so richtig auseinanderhalten. Trip Hop definiert sich meiner Meinung nach durch die atmosphärischen Klänge und den "weißen" Gesang, der eher klar und einfach strukturiert ist (im Gegensatz zum "schwarzen" Soulgesang mit seinen vielen komplizierten Colouraturen).

Wie würdet Ihr selbst Eure Musik kurz in Worten beschreiben?

Henri: Wenn Du selbst Musik machst, weißt Du, dass man diese Frage schwer beantworten kann. Vor allem 'in kurzen Worten' ...
Mich würde viel mehr interessieren, wie Du die Musik beschreiben würdest. Das würde mich wirklich interessieren!

Lan Syreen - ist das ein Künstlername?

Lan: Lan ist mein echter Vorname. Er stammt aus Vietnam wie meine Mutter auch. Syreen ist mein selbstentworfener Künstler-Nachname. Ich hatte schon immer einen Hang zu mystischen Sagenwesen, und Sirenen verzaubern ja bekanntlich mit ihrem Gesang. Die Schreibweise ist Eigenkreation.

Was ist Euer musikalischer Hintergrund? Wie seid Ihr zum Trip Hop gekommen? Habt Ihr Vorbilder?

Lan: Seit meiner Kindheit hatte ich viel mit Musik zu tun. Meine Eltern sind begeisterte Jazz- und Klassikhörer und haben früh begonnen, meine Liebe zur Musik zu fördern. Schon in der Grundschule war ich im Chor, und mit elf hatte ich zum ersten Mal eine Gitarre in der Hand. Während der Oberschule spielte ich in verschiedenen Bands, vor allem in einer Folkband, in der wir irische, schottische u.a. Musik spielten. In dieser Zeit komponierte ich viel zur Gitarre, und meine Texte waren (und sind noch) sehr von Natur und Spiritualität geprägt.
Bevor ich angefangen habe mit Henri zu arbeiten, habe ich wenig Trip Hop gehört. Allerdings bin ich der Meinung, dass Folk und Trip Hop gar nicht so weit auseinander liegen, zumal ja beide Richtungen aus dem selben Land stammen. Für mich liegt in beiden Musikstilen der gleiche Zauber.
Vorbilder habe ich eigentlich nicht direkt, aber es gibt viele Künstler, die ich bewundere und von denen ich mir viel abgucken kann.

Henri: Vor fast zehn Jahren habe ich mit einem Freund meine erste Band gegründet. Anfangs haben wir Gothik-Rock mit Drumcomputer und harten Gitarren gemacht - ich habe damals noch Bass gespielt. Wir wurden dann wohl immer softer und elektronischer, bis wir schließlich bei Live-Techno gelandet sind.
Elektronische Musik hat mich schon immer interessiert. Ob es nun Depeche Mode waren oder Kraftwerk oder die Sounds eines J.M. Jarre. Diese elektronischen Klänge hatten immer etwas Magisches an sich. Dabei durfte es aber nie poppig sein, das mochte ich nie. Mittlerweile habe ich zwar Respekt vor gutgemachten Pop- und Mainstream-Geschichten - ist immerhin eine Menge Arbeit und Wissen nötig, um wirklich gute Popsongs zu produzieren. Aber für mich war das nie wirklich etwas.
Bevor ich das Geld für meinen ersten Synthesizer hatte, habe ich verschiedene Wege ausprobiert, meinen Kreativitätsdruck zu entladen, z. B. Malen und Zeichnen. Das war zwar interessant, aber jetzt male ich lieber mit Klangfarben - meine Musik ist ein Klang(ge)bild(e). Ich mag es vor allem, wenn man in einem Song immer wieder etwas neues entdecken kann. TripHop habe ich angefangen, weil ich die Subtilität mag, die Möglichkeit, jedem Zuhörer sein eigenes Bild im Kopf entstehen zu lassen. Ich überlasse die Interpretation immer gerne dem Zuhörer. Alle Sinneseindrücke sind auf die Subjektivität des Menschen beschränkt und werden auf die innere Seelenlandschaft projiziert, bevor versucht wird, ein Sinn darin zu entdecken. Für mich ist TripHop für die elektronische Musik das gleiche, wie für die Malerei der Impressionismus oder für die Literatur die Werke von Kafka oder Stanislaw Lem.
Den Begriff TripHop verbinde ich mit der Musik von Lamb und Björk, auch Portishead oder Moloko. TripHop ist aber nicht wirklich eine Musikrichtung, sondern eher so eine Art Gefühl, das man hat, wenn man eben diese Musik hört.
Vorbilder für mich sind David Bowie und Jim Morrison von den Doors. Beides sehr starke und eigene Charaktere, finde ich. Unter einem 'Vorbild' verstehe ich dabei nicht jemanden, dessen Musik mir so gut gefällt, dass ich sie selber auch machen möchte, sondern eher jemanden, dessen Art mit Musik umzugehen mich fasziniert und die ich sehr respektiere.

Wenn Ihr auf der Bühne steht, was ist live? Henri, Du hast die ganze Zeit an irgendwelchen Knöpfen gestellt - was genau machst Du da?

Henri: Meine Aufgabe bei einem Konzert teilt sich in verschiedene Bereiche auf. Erstmal stehe ich hinter dem Mischpult, wo alle Kanäle der angesteuerten elektronischen Instrumente, Synthesizer, Effektgeräte, Labtop usw. zusammenkommen. Ich route sie entsprechend und mische jeden Song live ab. Nebenbei bereite ich die Elektronik auf die nachfolgenden Songs vor, damit es keinen Bruch im Gesamtfluss des Konzertes gibt. Der Zuhörer soll von Anfang bis Ende im Fluss von Musik und Gesang gefangen sein - sofern er das selbst zulassen möchte. Wir möchten den Zuschauer an der Hand nehmen und durch unsere Klangwelt führen.
Zu jedem Song gibt es ein Grundgerüst, das durch ein Playback (MPC 2000XL) vorgegeben wird. In dieses Playback kann ich eingreifen, soweit es mir die Struktur und Arbeitsweise des Gerätes erlaubt. Man kann dort Loops starten, zeitinvers abspielen, Filter öffnen und schließen usw. Über dem Playback liegen die Sounds der einzelnen angesteuerten Synthesizer, die ich in ihren Klangparametern entsprechend verändere. Vor allem die modularen Systeme (Clavia Modular, Reaktor), mit deren Hilfe ich meine Synthesizer selbst baue, bieten da viele Eingriffsmöglichkeiten. Dann kommen noch die Effekte, die ich auf den Gesang lege, um ihn in den Gesamtkontext des jeweiligen Stückes einzubetten.
Wenn ich also an den Reglern drehe, verändere ich Filter, Echos, Lautstärke, starte Klänge und lege Effekte drauf, verändere diese usw. Vieles hört man wahrscheinlich gar nicht, weil insgesamt so viel passiert, aber für den klanglichen Gesamteindruck ist das extrem wichtig. Zusammengefasst lässt sich sagen: Ich steuere die Maschinen.
Wir haben noch vor, den Live-Charakter unserer Konzerte immer mehr auszuweiten. Wir würden z.B. gerne Musiker auf der Bühne haben, was die Improvisationsmöglichkeiten erweitern würde. Aber das kostet viel Geld und solange sich das noch nicht rechnet, können wir das leider nicht machen.

Wie ist der Stand der Dinge bei Eurer CD?

Henri: Das Problem ist natürlich wie immer das liebe Geld. Da wir bei noch keinem Label unterzeichnet haben, müssen wir die gesamte Produktion selbst finanzieren. Nebenbei müssen wir natürlich auch noch Miete zahlen und Nahrung zu uns nehmen.
Das teuerste bei Musikproduktionen sind immer die Gesangsaufnahmen. Uns fehlen noch die Aufnahmen für ein paar Songs, bevor wir die CD ganz fertig haben.
Um die Wartezeit für Ungeduldige zu verkürzen, haben wir allerdings schon eine Single fertig, die nur noch gemastert werden muss, um in Pressung gehen zu können. Für diese suchen wir momentan noch einen Vertrieb.
Auf der Single wird der Song ‚Gonna Get You' in vier verschiedenen Mixen drauf sein und als Zusatz-Track noch unser Instrumental ‚Waterland', zu dem Lan ihre Zauberflöte spielt. Als kleine Überraschung erhalten die Käufer der Single noch einen Zugangscode, mit dem sie von einer extra eingerichteten Website weitere Remixe herunterladen können.

Könnt Ihr uns noch etwas zu dem Equipment sagen, das ihr hauptsächlich einsetzt? Welche Synthesizer, Software, Sampler und Recording-Hardware setzt ihr besonders intensiv ein?

Henri:
Live:
Akai MPC 2000XL
Yamaha AN1x
Yamaha FS1R
Oberheim Matrix 1000
Clavia Micro Modular
Ensoniq DP/2
Behringer Virtualizer
Behringer Eurorack 2642

Logic Audio Platinum
Native Instruments Reaktor

Besonders mag ich die Modularsysteme. Oft baue ich mir einen Systhesizer für einen bestimmten Klang, anstatt ihn ewig in anderen Synths zu suchen und dann noch zurechtzubiegen. Der Clavia Micro Modular ist der absolute Hammer. Für den Preis gibt es sicher nichts besseres!
Mein Geheimtip ist der FS1R - der ist mittlerweile so billig geworden - ich verstehe gar nicht, wieso der immer übersehen wird.
Mit Logic arbeite ich am intensivsten.

Produziert Ihr komplett im eigenen Studio oder greift Ihr auch auf externe/andere Studios zurück?

Henri: Bisher arbeiten wir zu 95 % im eigenen Studio. Heutzutage braucht man ja nichts weiter, als einen guten Rechner (An alle Streithähne: PC oder Mac ist egal! Aber ein PC hat drei Mouse-Buttons...) und Logic Audio. (Jaja, meinetwegen auch Cubase VST).
Wer Geld hat, kann sich natürlich noch ProTools leisten - es geht allerdings auch ohne! Nur bei Gesang und Abhöre sollte man wieder mehr Geld ausgeben, denn hier wird über den Gesamtklang entschieden!

Fragen: Frank Korf und Martin Rothhaar