MEMI Workshop

 

Mikrofone - Grundlagen in vier Teilen

Teil 2: Werte und Eigenschaften

 

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Schalter am Mikrofon

  • - Ein-/Aus-Schalter finden sich ausschließlich an Live-Mikrofonen. Im Studioalltag wären sie eine Fehlerquelle, auf der Bühne jedoch kann damit der Musiker dem Tontechniker unter die Arme greifen und das Mikro bei Nicht-Benutzung abschalten und somit Rückkopplungen und eine verwaschenen Sound vermeiden.
  • - LowCut-Schalter finden sich meist an Großmembran-Kondensern. Dabei handelt es sich um einen Hochpassfilter, der meist mit 12dB/Oktave alle Frequenzen unter 60 - 150 Hz (je nach Mikro unterschiedlich, manchmal auch in mehreren Stufen schaltbar) absenkt. Er hilft z.B. bei der Aufnahme von HiHat und Becken am Schlagzeug um die Bass Drum auszublenden und einen glockigen Klang der Becken zu vermeiden.
  • - PAD/Vordämpfung: Man findet sie ebenfalls an den meisten Großmembran-Kondensern als Schalter und bei den modular aufgebauten Kleinmembranmikrofonen (z.B. Oktava MK 012) als schraubbares Dämpfungsglied. Sie beträgt meist zwischen -10 und -20 dBr und gleicht den geringereren Grenzschalldruck von Kondensern aus. Die Dämpfung sitzt vor (!) dem Vorverstärker, da dieser sonst bei Überlastung Verzerrungen produzieren würde. Man sollte die Vordämpfung grundsätzlich nur dann einschalten, wenn sie auch gebraucht wird, da sonst der Störspannungsabstand schlechter wird (Es rauscht mehr!).

Richtcharakteristik ist nicht immer "echt"

Wie sie zustande kommt, habe ich bereits im ersten Teil erklärt. Nun ist es aber in der Praxis so, dass sie nur bis etwa 1000 Hz gilt. Bei höheren Frequenzen ist die Wellenlänge kleiner als das Mikrofon selbst, was bewirkt, dass rückwärtig auftreffender Schall nicht mehr um das Mikrofon gebeugt, sondern reflektiert wird. Ergo: oberhalb von 1000 Hz ist auch der Druckempfänger keine Kugel mehr, sondern "nur" eine Niere. Dies gilt natürlich ebenso für alle anderen Empfängercharakteristika, wenn auch nicht in einem so extremen Maß. Spricht man beispielsweise von der Seite in ein Mikro mit Nierencharakteristik, ist nicht unbedingt der Pegel geringer, jedoch wird der Klang eindeutig dumpfer.

Richtcharakteristik und Phasendrehung

Alle Mikrofone haben eine bestimmte Besprechrichtung (meist durch einen halbseitig silbernen Drahtkorb oder das Herstellerlogo gekennzeichnet). Dahinter ist es aber bei allen Mikros, außer bei Kugel und Niere, besonders interessant, denn die Rückseite (auch "out-of-phase-side" genannt) ist phasengedreht, d.h. die hintere Hälfte der Acht und die kleinen "Schwänzchen" bei Hyper- und Superniere bzw. Keule empfangen den Schall tatsächlich mit einer 180 Grad Phasenverschiebung.
Vorteile: Im Livebereich streut der meist hinter dem Mikro liegende Monitor in das Mikro ein. Da er dies durch die Beugung des Schalls jedoch auch in Sprechrichtung tut, entstehen im Mikrofon gleiche Signale, die aber phasengedreht sind. Somit löscht sich das Monitorsignal zu einem kleinen Teil aus und der Sound wird "sauberer". Ähnlich kennt man dies aus den 70er Jahren, wo bei Live-Veranstaltungen mehrere Mikros aneinander geklebt wurden und der Sänger genau in ein Mikro singen mußte, damit die anderen Mikros den sog. Diffusschall aufnehmen kommten, der später phasengedreht dem Mikrossignal zugeführt wurde.
Nachteile: Es kann passieren, dass bei Studioaufnahmen der Raum größer wirkt, als er eigentlich ist.

Power: Die Phantomspeisung

Kondensatormikrofone benötigen eine Versorgungsspannung für die Ladung der Membran und den Vorverstärker. Bei Live-Mikros wird dies oft durch eine 9-Volt-Blockbatterie gelöst, im Studio durch die sog. Phantomspeisung, eine 48 Volt Gleichspannung, welche über beide Tonadern zum Mikro hin und über die Abschirmung zurückgeführt wird. Es gibt auch Phantomspeisung mit 24 oder 12 Volt, allerdings ist sie nicht mehr üblich. Wer noch ein älteres Pult hat, kann aber trotzdem ein Mikro, welches eigentlich 48 V benötigt, daran betreiben. Wenn die Spannung für den Vorverstärker ausreicht (wird in vielen Fällen so sein), ist letztlich nur das Mikrofonsignal leiser, was wieder einen geringeren Störspannungsabstand und Rauschen nach sich zieht.
Ja, man kann ein dynamisches Mikro an ein Pult mit eingeschalteter Phantomspeisung anschließen, sofern es über eine symetrische Leitung verfügt (eine oft gestellte Frage). Ist die Leitung jedoch nicht symetrisch, verursacht man einen Kurzschluss!

Im Folgenden jetzt die wichtigsten Begriffe und Eigenschaften von Mikros.

Übertragungsbereich

Ihn findet man häufig in Prospekten angegeben, leider jedoch ohne die Toleranzen. Beinahe jedes billige Kondensatormikro schafft einen Frequenzgang von 20 Hz - 20 kHz. Entscheidend ist hier jedoch der Zusatz z.B. +- 2,4 dBr. Er gibt die maximale Abweichung der Kurve vom Idealverlauf in dem angegebenen Frequenzbereich an.
Diese Angaben sind letztendlich völlig unwichtig, denn gerade Mikros mit einem beliebten Sound haben einen sehr unregelmäßigen Frequenzgang bzw. Anhebungen bestimmter Frequenzbereiche um den Klang zu verbessern. Manchmal finden sich auch Frequenzdiagramme, welche aber in der Regel beschönigt sind.

Nahbesprechungseffekt (proximity effect)

Der N. tritt nur bei Druckgradientenempfängern, also bei den meisten Live- und Studiomikros im sog. Nahfeld auf. Das Nahfeld beginnt dort, wo der Abstand von Schallquelle und Mikrofon kleiner ist, als die Wellenlänge. Es ist also Frequenzabhängig. Bei 150 Hz beginnt das Nahfeld also etwa bei 2,3 Metern, bei 12 kHz erst in etwa 2,8 cm Abstand. Den Nahbesprechungseffekt zu erklären ist etwas schwierig. Der Druckgradientenempfänger misst ja den Phasenunterschied zwischen dem Schall vor und hinter der Membran, der durch den Umweg des Schalls zu Membranrückseite zustande kommt. Im Fernfeld breitet sich der Schall Wellenförmig aus.

Im Nahfeld jedoch sind die Schallwellen gekrümmt.

Da sehr dicht an der Schallquelle die Krümmung im Vergleich zur Wellenlänge zunimmt, steigt der Druckgradient überproportional an, was eine Pegelanhebung bedeutet. Da das Nahfeld für hohe Frequenzen aber selbst bei sehr geringen Aufnahmeabständen zu klein ist, werden nur tiefere Frequenzen angehoben. Dies erzeugt einen mehr "intimen" und weniger neutralen Klang, wie man ihn aber inzwischen durch Rock- und Popproduktionen sowie Sprecher in sämmtlichen Medien gewöhnt ist. Auch zur Kompensation der Nahbesprechung haben Gradientenempfänger die schaltbare Bassabsenkung.
Livemikros, die auf Lippenkontakt ausgelegt sind (z.B. Shure SM 58) haben bereits ein feste Bassabsenkung zur Kompensation des Nahbesprechungseffektes eingebaut. Daher klingt ein solches Mikro gleich bei nur wenigen Zentimetern Abstand viel dünner.

Lavalier-Mikrofone

(sprich: La-wall-jeh) Hiermit sind entgegen der landläufigen Meinung keine Ansteck- und Clipmikros gemeint, sondern Mikrofone, die eine standardisierte Entzerrung (Frequenzgangkorrektur) besitzen und somit direkt vor dem Brustkorb getragen werden (Also doch Ansteckmikros? Nein! Dies ist von Mikro zu Mikro unterschiedlich und besonders im Niedrigpreisbereich selten gegeben.). Der Frequenzgang besitzt eine starke Absenkung bei 800 Hz (das ist der Bereich der Brustkorbresonanz) und eine deutliche Pegelanhebung bei den hohen Frequenzen (bis +8 dB bei 8 kHz) um die Sprachverständlichkeit zu verbessern. Wem ein solches Mikro fehlt, der kann den Frequenzgang aber mit dem Pult-EQ nachbauen.

Feldleerlaufübertragungsfaktor

(Der letzte Theoriekram!) Der F. ist sozusagen die Empfindlichkeit (sensitivity) des Mikros. Folgendes wird hierbei gemessen: Wie hoch ist die Ausgangspannung bei einer Besprechung des Mikros bei 1 Pascal Schalldruck. Ein Kondensatormikro schafft etwa 5 - 20 mV/P (Millivolt pro Pascal), ein Dynamisches Mikro nur schlappe 1 - 2 mV/P (selten auch etwas mehr). Je höher nun der Feldleerlaufübertragungsfaktor, desto geringer muss ich meinem Vorverstärker (Gain) am Pult aufdrehen. Wer also ein einfaches Pult hat (z.B. Behringer) sollte theoretisch ein Mikro mit einem möglichst hohen F. haben, damit der Vorverstärker weniger rauscht.

Klang von Groß- und Kleinmembran

Warum klingt jetzt die Großmembran "warm"? Zuerst sollte man sich dazu im Vergleich die Kleinmembran ansehen. Hier ist die Membran im Schnitt etwa 10 mm groß (kann aber auch deutlich kleiner sein). Durch die geringe Größe und das geringe Gewicht der Membran reagiert sie auch auf kleinste Impulse sehr genau, da sie einfach sehr leicht und schnell angeregt werden kann. Dies hat einen eher "neutralen" bis "kalten" Klang.
Bei der Großmembran hingegen ist die Membran relativ groß (etwa 2,5 cm) und relativ schwer. Bei einem explosiven Laut eines Sprechers (z.B. "t") benötigt die Membran eine gewisse Zeit, um zu reagieren bzw. sich auslenken zu lassen. Dies glättet sozusagen die starken Pegelanstiege ein wenig und klingt so für unser Ohr angenehmer. Zum anderen ist die Membran durch ihre extreme Dünnheit in sich nicht stabil. Die Membran schwingt also nicht mehr gleichmäßig, sondern es kommt zu Partialschwingungen, die letztlich Ungenauigkeiten hervorrufen. Aber genau wie bei bestimmten harmonischen Verzerrungen wird diese Ungenauigkeit als "Wärme" im Klangbild und angenehm zu Hören empfunden.

Anschlusstechnik

Mikros haben in der Regel den bekannten XLR-Stecker. Wer in einem Notfall mal ein Mikrokabel löten muß, kann sich mit diesem Spruch behelfen: X - L - R = 1 - 2 - 3 X ist nix, L macht Lärm, R geht zurück (Zugegeben, ziemlich dämlich, aber hilfreich wenn man sich die Steckernummerirung anschaut.)

Wichtig ist es, die Phasen nicht zu vertauschen!

Vorschau

Im nächsten Teil geht es ins Eingemachte. Aus der Sicht eines durchschnittlichen Homerecorders wird beschrieben, wie er/sie das beste Mikro findet. Außerdem wird erläutert, für welche Zwecke welche Mikros eingesetzt werden.

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Autor: Götz Müller-Dürholt Ein Service von MEMI.