MEMI Workshop

 

Mikrofone - Grundlagen in vier Teilen

Teil 4: Die Aufnahmesession

 

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Endlich machen wir die erste Aufnahme. Doch bevor auch nur ein Gramm Technik bemüht wird, sollte man sich den Sänger bzw. Instrumentalisten erst einmal in Natura anhören. Eine gute Mikrofonaufnahme kann nämlich nur das konservieren, was vor dem Mikrofon stattfindet (jaja, Autotune, Blah und Blupp, aber ein guter Sänger ist allemal besser!). Daher sollte man zu erst mit dem Musiker einen kleinen Check machen:

  • Ist der Sänger gesund und fit?
  • Sind neue Saiten auf Gitarre und Bass? Sind die Instrumente gestimmt (auch Klavier und Moog (Moog vorher 2 Stunden warmlaufen lassen))? Während der Aufnahme nachstimmen (Sehr wichtig)!
  • Klappern Teile oder gibt es einen Wackelkontakt in der Gitarrenbuchse? Mit Gaffa festkleben und Kontaktspray benutzen.
  • Knistert oder brummt der Gitarrenamp? Das Geld für eine Reparatur und nicht für einen De-Noiser ausgeben.
  • Ist das Instrument auch gut? Gerade Anfänger haben meist Gitarren, die nicht bundrein sind; also eine andere Gitarre ausleihen.
  • Gitarristen haben meist mehrere Gitarren, aber nur einen Verstärker. Einfach mal das Konkurrenzprodukt ausleihen, das bringt Abwechslung und passt manchmal sogar besser zum Song.
  • Der Raum sollte natürlich auch in Ordnung sein (akustisch).

Der Mikrofonständer

Im Studio steht bekanntlich alles voll: Mikroständer, Drumhardware, Kopfhörer und dutzende Kabel auf dem Boden. Im Heimstudio ist es zusätzlich noch meist eng. Daß man dann irgendwo mal hängen bleibt oder etwas anstößt, ist normal. Da dabei auch ein teures Mikro zu Bruch gehen kann, sollte man beim Aufbauen des Mikros samt Ständer einige Regeln beachten:

  • Bevor man irgendetwas am Ständer bewegt, sollte man das zuständige Gewinde ganz lösen, sonst leiert der Gummiring z.B. am Galgen schnell aus und der Ständer bekommt bei langem Arm und schweren Mikro schnell "Erektionsprobleme". Wer einen solchen Problemfall der Firma König & Meyer hat, der kann alle (!) Einzelteile auch nachkaufen, um das Stativ wieder fit zu machen. (Im übrigen halten die Stative viel länger, wenn man sie mit gelösten Gewinden lagert.)
  • Ein Fuß des Dreibeins gehört parallel zum Galgen. So kippt das Stativ weniger leicht nach vorne (dort wo das Gewicht des Mikros ist).
  • Das Mikrokabel sollte ohne Zug sein und einmal um den Hebel der Winkelverstellung am Galgen gewickelt werden. Diese Prozedur ist zwar nicht besonders gut für das Kabel, verhindert jedoch, daß das Mikro beim aus der Spinne rutschen auf den Boden fallen kann. Wer jetzt mal an dem Kabel zieht, bringt den Ständer jedoch recht leicht zum Umsturz, daher das Kabel einmal um einen der Füße wickeln. Zieht man jetzt an dem Kabel, verschiebt sich bloß das Stativ!
  • Das Mikro wird erst ganz zum Schluß an den bereits aufgebauten Ständer gesteckt und gleich am Kabel befestigt (die Verriegelung muß einrasten).

Mikrofonaufstellung bei Gesang

Die Membran eines üblicherweise für Gesang genutzten Großmembrankondensers sollte parallel zum Sänger sein. Da die meisten Sänger jedoch leicht nach unten singen, da sie den Text lesen müssen, empfiehlt es sich, das Mikrofon von oben (hier hilft ein großer Mikroständer) und über Kopf aufzuhängen und leicht nach oben anzukippen. Obendrein hat der Sänger jetzt auch mehr Bewegungsfreiheit. Gesang nimmt man übrigens grundsätzlich im Stehen auf, da ein Sänger so mehr Lungenvolumen hat und auch besser intoniert. Ein Poppschutz ist obligatorisch. Sollte man trotzdem Probleme mit Poppern haben (z.B. wg. extremer Nahbesprechung oder einem schlechten Poppschutz) kann man das Mikro etwas weiter Kippen und auf den Gaumen zeigen lassen. Dies reduziert die Popper noch etwas.
Der Abstand des Sängers zum Mikro hängt stark vom Sänger und der Produktion ab. Etwa 10 bis 40 cm sind bei U-Musik üblich. Je näher der Sänger dem Mikro kommt, desto “wärmer" und “intimer" wird der Klang, desto stärker werden aber auch Lautstärkeschwankungen, die mit dem Kompressor wieder ausgeglichen werden müssen. Viel schlimmer sind jedoch zappelige Sänger, die immer wieder die Position zum Mikro verändern und somit nicht nur in der Lautstärke, sondern auch im Klang variieren. Hier kann es helfen, den Sänger hinter einen Barhocker zu stellen, den er beim Singen immer mit den Knien berühren kann, um die ursprüngliche Position wiederzufinden.

Apropos Poppschutz

Zwar ist auch der selbstgebaute Poppschutz aus Drahtkleiderbügel und Nylonsocke eine große Hilfe, am besten arbeitet jedoch ein Poppschutz, der aus zwei Lagen Gewebe mit einem Hohlraum dazwischen und einer Luftausgleichsöffnung am Rahmen ausgestattet ist. Besagtes Loch fehlt leider meistens, deshalb einfach mal mit einem kleinen Holzbohrer ein oder zwei Löcher in das Plastik bohren.

Mikrofonaufstellung bei Akustische Gitarre

Zu unterscheiden gilt hier die klassische Konzertgitarre und die Westerngitarre in einer Pop- oder Rockproduktion. Gemeinsam haben beide den unterschiedlichen Klang an verschiedenen Stellen: dort, wo der Hals an den Korpus geleimt ist, findet man einen sehr dünnen, höhenbetonten Klang mit vielen Fingergeräuschen. Je weiter man in Richtung des Schalloches geht, desto fülliger wird der Klang. In Bereichen "hinter" dem Loch verliert der Sound stark an Höhen, kann aber an Wärme gewinnen. Bei günstigen Gitarren fängt es dort auch manchmal an zu Dröhnen.
Eine Konzertgitarre sollte man bei einer klassischen Aufnahme immer stereophon abnehmen (hier empfehlen sich zwei Kleinmembrankondenser). Hierbei wird ein Mikro relativ dicht am Ende des Halses und nah an den Saiten positioniert, ein weiteres zielt aus etwa Kniehöhe, am Ende der Gitarre und mit etwa 40 cm Abstand positioniert ungefähr in Richtung des Schalloches. Die gleiche Mikrofonaufstellung macht auch bei einer Westerngitarre einen schönen Sound. Da diese meist jedoch gestrummt gespielt und gedoppelt werden, kann man, beide Signale vor der Aufnahme zusammenmischen. Wer eine Ovation bzw. eine andere Gitarre mit eingebautem Tonabnehmer im Studio hat, sollte sich außerdem das Pickupsignal aufs Pult geben lassen (natürlich über eine DI-Box). Nun kann man in der Regie aus den drei verschiedenen Kanälen den gewünschten Sound zusammenmischen und aufnehmen; wenn genügend Spuren zur Verfügung stehen, können auch alle Signale getrennt aufgenommen werden.

Mikrofonaufstellung beim Schlagzeug

Hier ist meistens entscheidender, welche Mikros überhaupt vorhanden sind, als der persönliche Soundgeschmack. Ich schildere hier mal meine favorisierte Methode, auch wenn man einige Mikros mehr benötigt.
Bass Drum: Ein AKG D112 in der Drum relativ dicht an das Schlagfell, um möglichst viel "Kick" zu bekommen. Ein weiteres Mikro, mit einem schönem Bassklang und einem hohen Grenzschalldruck von außen vor das Resonanzfell um den "Wumms" abzunehmen.
Snare: Ein SM 57 rund vier Finger breit über dem Rand der Snare zur Mitte zielend. Unter der Snare einen Kleinmembrankondenser auf den Teppich gerichtet. WICHTIG: Bei einem der beiden Kanäle die Phase drehen, sonst gibt es starke Auslöschungen. Wer übrigens nicht genügend Mikros hat, und bei der Snare mit einem Mikros auskommen muß, erzielt einen brauchbaren Klang, wenn das Mikro einige Zentimeter vom Rand der Snare weg das Signal des Schlagfelles und des Kessels aufnimmt.
Toms: MD 421 auch vier Finger breit über den Toms und etwas zur Tommitte zeigen lassen. HiHat: Einen Kleinmembrankondenser ziemlich seitlich auf den Rand der HiHat zeigen lassen, aber so, das Windgeräusche beim Schließen der HiHat nicht am Mikro ankommen. Overheads: Bei etwas kultivierteren Popdrums weit über dem Drumkit ein XY-Verfahren mit Kleinmembrankondensern (z.B. Oktava MK012) aufbauen. Bei eher fetten Rockdrums im Abstand von 0,5 bis 1,5 Meter zueinander die Mikros dicht über den Becken aufbauen. Dadurch, daß die Becken beim Anschlagen schwanken und so ihre Abstrahlrichtung ändern, kann es gewollte und schöne phaserartige Effekte geben.
Ambience: Entscheidend beim Gesamtklang des Schlagzeug sind die Hallräume, mit denen es im Mixdown bearbeitet wird. Jedoch nicht nur beim Jazz, sondern gerade auch bei Rock- und Popproduktionen empfiehlt es sich, den Raumklang mit aufzunehmen. Hierzu empfiehlt sich z.B. ein ORTF mitten im Raum. Wer einen eher kleinen Raum hat, kann zwei Grenzflächenmikros an die Wand hängen. Mit diesen Signalen soll nicht das Hallgerät ersetzt werden, jedoch kann es den Sound des Drumkits lebendiger machen - selbst wenn man sich dabei in schlechten Aufnahmeräumen einen "Garagensound" einhandelt.

Mikrofonaufstellung bei unbekannten Instrumenten

Jeder, der einmal in Richtung Ethno arbeitet, dem begegnet auch früher oder später irgendein unbekanntes, merkwürdig aussehendes Instrument einer hinteren Bergregion. Um nun die passende Mikrofonposition zu finden, kann man bei nicht zu lauten Instrumenten sein Ohr quasi zum Mikro machen und während des Spiels mit gedrehtem Kopf das Instrument "abhorchen" wo es wie klingt. Hier gehört das Mikro hin.

Lagerung

Das gemeine Mikrofon hat dort sein Habitat, wo sich auch der Mensch wohlfühlt, d.h. es gehört nicht in den feuchten Proberaum, sondern ins geheizte Studio oder in die Wohnung. Zudem sollte man es bei Nichtbenutzung immer abdecken, damit es nicht zustaubt. Zugegeben, einem SM 58 ist das ziemlich wurscht, aber wer viel Geld für einen Großmembrankondenser ausgegeben hat, der sollte auch pfleglich damit umgehen.

Sprechprobe

Von kleineren Liveevents mit unerfahrenen Technikern kennt man das: zwecks Sprechprobe wird kräftig ins Mikro gepustet oder draufgeschlagen. Auch hier gilt: dem Dynamischen Mikro macht eine solche Prozedur wenig aus, bei einem Kondenser jedoch kann unter Umständen die Membran an der Gegenelektrode anschlagen und das Mikro durch Kurzschluß komplett zerstören. Also unerfahrene Musiker immer darauf hinweisen!

Vorverstärkung

Ebenfalls sollen die Mikrofon-Vorverstärker nicht unerwähnt bleiben. Gemeint sind hier nur die Verstärker (Vorstufen) und keine Channel-Strips mit eingebauten Kompressoren etc. Wer viel Geld für einen guten Kondenser ausgibt, der darf bei einem z.B. in ein Mischpult eingebauten Preamp keinen besonderen Klang erwarten - selbst bei Pulten die 10.000 Mark kosten! Ebenfalls die eingebauten Mikrofonvorverstärker in Interfaces wie z.B. dem Digi 001 ider MOTU 828 klingen nur mäßig. Gerade für die meisten Homestudios, in denen fast ausschließlich mit dem Computer gearbeitet wird, empfiehlt sich eine günstige Audiokarte mit digitalen Eingängen und ein Channel-Strip, der neben Preamp noch einen Kompressor, einen EQ und einen Wandler beinhaltet. Diese Teile gibt es mit passabler Qualität schon ab 1.000 Mark und verbessern den Klang sehr deutlich.

Fazit

Trotz der vielen Theorie und der Dinge, die man beachten muß, macht Mikrofonie unheimlich viel Spaß. Wer einmal verschiedene Mikros ausprobiert hat, wird schnell merken, daß man damit viel mehr am Sound verändert, als dies mit EQ und Dynamics möglich wäre. Auch wer elektronische Musik macht, kann mit diesem Wissen seine Samples und Athmoaufnahmen bestens selbst gestalten und der Musik mit einigen wenigen Naturinstumenten neue Klangfarben geben. Leider ist es auch sehr teuer, ein Arsenal an Mikrofonen zu haben, man sollte jedoch nicht vergessen, daß man sich Mikrofone auch ausleihen kann.

In diesem vierteiligen Workshop ging es nur um allgemeine Grundlagen in Theorie und Praxis. Beide Punkte hätte man noch immens ausweiten können, aber es ging hier nur um einen groben, keinesfalls jedoch kompletten Überblick. Wer mehr wissen möchte, dem empfehle ich das Buch "Mikrofone in Theorie und Praxis" von Thomas Görne, erschienen im Elektor-Verlag, Aachen (ISBN-3-928051-76-8). Leider ist es z.Zt. nicht im Internet erhältlich. Wer es also bekommen möchte, sollte seinen Buchhändler fragen, oder es am SAE College kaufen (für etwa EUR 35,--).

Es bleibt noch zu sagen: Viel Spaß beim Experimentieren!

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Autor: Götz Müller-Dürholt Ein Service von MEMI.