MEMI Software-Test

 

Cakewalk Pro Audio 9

MIDI-/Audio-Sequenzer

 

Hersteller/Vertrieb Art der Software erhältlich für Preis
Cakewalk MIDI-/Audiosequenzer Windows 32-Bit DM 598,- / € 301,-
Klemm (Vertrieb) für Windows Schulversion (SV) erhältlich DM 299,- / € 153,- (SV)

 

Was für ein Kuchen?

In unserem schönen Lande dürften sich tatsächlich noch manche Leute fragen, was Cakewalk eigentlich ist. Zwar ist es den meisten Musikern schon mal zu Ohren gekommen, dass es da im fernen Amerika auch noch eine andere beliebte Software gibt, aber der Otto-Normal-Musiker im deutschsprachigen Raum beschäftigt sich mit Logic oder Cubase. Nicht zuletzt, weil in letzter Zeit Mini-Versionen der "Großen Deutschen" bei vielen Soundkarten mit im Paket lagen. Aber woran liegt es, dass sich auch die Fachpresse schon seit Jahren nicht mehr um Updates des US-Anbieters kümmert? Und das, obwohl Cakewalks teuerste Software weit unter den Preisen der einheimischen Produkte zu bekommen ist. Oder ist Cakewalk einfach keine ernst zu nehmende Konkurrenz für die logische Steinburg? Diese Frage wollen wir im Vergleichs-Special Emagic Logic kontra Cakewalk beleuchten. Hier soll es nun einfach um das nagelneue Update auf die Version 9.0 des US-Sequenzers gehen.

Was gibts Neues Kienzle?

Dieser Abschnitt dürfte für die Leute interessant sein, die schon einmal mit Cakewalk gearbeitet haben. Zuallererst Folgendes: Auf den schnellen ersten Blick hat sich nicht viel getan seit der Version 8. Die Oberfläche wurde kaum verändert. Ein Menüpunkt ist hinzugekommen (der Übersichtlichkeit halber). Dies bringt zumindest einen Vorteil: Der Umstieg fällt nicht schwer. Die Konsolen-Ansicht (Cakewalks Mischpult) sieht nun wesentlich dreidimensionaler aus und ist somit doch "professioneller" anzuschauen. Die neuen Features bedürfen schon genaueren Hinsehens:
Da wäre zum einen in der Spur-Ansicht ein neues Feld, über das man nun auch hier MIDI- sowie Audio-Effekte nichtdestruktiv hinzufügen kann. Ein weiteres neues Feature ist, dass nun in der Piano-Roll-Ansicht die Bearbeitung mehrerer Spuren gleichzeitig möglich ist. Dies wird über eine übersichtliche Farbgebung gewährleistet. Auch erst beim zweiten Hinsehen fällt dem Benutzer die CPU- und Disk- Auslastungsanzeige am unteren Bildrand auf. Darüber bekommt man ständig Auskunft, wie sehr das System ausgelastet wird. Gerade bei der Nutzung vieler Echtzeit-Effekte ist dies sinnvoll. Eine der wichtigsten Neuerungen ist sicherlich die Möglichkeit, nun auch Stereo-Spuren aufnehmen zu können und als solche zu bearbeiten. In diesem Punkt hinkte Cakewalk der Konkurrenz immer meilenweit hinterher. Aber dieses Handicap ist nun auch überwunden. Außerdem haben die Programmierer an die immer aktueller werdende Anbindung ans Internet gedacht und es dem User ermöglicht, nun seine Musik als MP3 bzw. im RealAudio-Format zu exportieren.
Der Audio-Teil von Pro Audio 9 wurde ansonsten noch durch verbesserte Latenz-Werte gerade in Verbindung mir spezieller Audio-Hardware wie z.B. der DSP-Factory erweitert. Dies wird durch die neu entwickelte WavePipe Technologie gewährleistet. Ab sofort soll also eine komplette Einbindung dieser Hardware in Cakewalk möglich sein. Aber auch Cakewalk nicht bekannte Soundkarten erfahren durch diese Technologie bessere Latenz-Werte. Zu diesem Zweck wurde dem Programm ein eigenes AudioX-Fenster gegönnt, in dem alle Karten angezeigt werden, die mit dem AudioX-Standard arbeiten. Diese neuen Möglichkeiten konnten im Test mangels Hardware nicht begutachtet werden. Jedoch konnte ich tatsächlich auch auf meinem System eine verbesserte Latenz feststellen.
Da in der neuen Version das GuitarStudio von Cakewalk integriert wurde, kann der Benutzer nun ein Stimmgerät in Cakewalk nutzen. Außerdem gibt es bei den Audio Plug-Ins jetzt eine Lite-Version des FX2 Paketes als Dreingabe. Diese Effekte kümmern sich hauptsächlich um Amp-Simulationen. Dazu kommt eine Gitarren-Griffbrett-Ansicht (für MIDI-Gitarristen äußerst sinnvoll) sowie die Darstellung von Gitarren-Tabulaturen.
Zuletzt noch die beiden neuen MIDI-Plug-Ins "Style Enhancer" und "Session Drummer". Dabei handelt es sich zum einen um ein Modul, womit man eingespielten Spuren einen speziellen Stil zuordnen kann. So werden Controller-Werte automatisch so verändert, dass z.B. der Bass endlich nach Fretless und nicht nach dilletantischer Keyboard-Einspielung klingt, und zum anderen um einen MIDI-Drumcomputer. Zum Einsatzfeld dieser Plug-Ins später mehr.

Die Liste der neuen Features könnte nun noch um ein paar Kleinigkeiten erweitert werden. Dies möchte ich aber nur in einer kurzen Auflistung tun:
Symbolleiste zum Aktivieren/Deaktivieren der Spureigenschaften Stumm/Solo/Aufnahme, zuverlässigere Clip-Indikatoren, Taste zum Anwenden destruktiver Audio-Effekte, erweiterte Taste zur Spurauswahl, der Aufnahmemodus eines jeden Projektes wird nun mitgespeichert, der Patch Browser wurde erweitert und kann jetzt aus der Spur- und Konsolansicht direkt durch Rechtsklick geöffnet werden, Tempoeinstellungen können in Echtzeit vorgenommen werden, ohne dass die Wiedergabe gestoppt werden muss, kleine Modifikationen der Menüs.

Jetzt aber mal richtig bitte

Also gut, legen wir mal los. Zuerst sollte vielleicht das Testsystem etwas näher betrachtet werden. Um es Cakewalk nicht zu einfach zu machen, musste es sich auf einem Rechner bewähren, der exakt den aufgedruckten Mindestanforderungen entspricht: Pentium 200 MHz (MMX) mit 64 MB RAM. Dazu eine mäßig schnelle Festplatte. Der Sound kam von einer Hoontech Sound Track Digital Audio 4ch. Als Betriebssystem kam sowohl Win95 als auch Win98 zum Einsatz. Hier ergab sich aber kein merklicher Unterschied in der Anwendbarkeit.

Installation

Die Installation lief absolut problemlos. In bestem Deutsch wird man durch den Vorgang geführt, und das Programm verrät dem Menschen vor dem Computer auch immer genau, was es gerade macht und warum. Das hat dazu geführt, dass meine bereits installierte Version 8.04 erkannt aber nicht behelligt wurde. Vielmehr hat sich PA 9 die nötigen Infos von seinem Vorgänger besorgt, so dass ich mich beim ersten Start "wie daheim" fühlen durfte. Alle wichtigen Voreinstellungen waren bereits getan. Auch mit der Soundkarte gab es hier keinerlei Probleme. Cakewalk benutzt den so genannten WaveProfiler, ein kleines Unterprogramm, das automatisch versucht, die optimalen Einstellung der Soundkarte herauszufinden. Das hat auch bei meiner Hoontech-Karte auf Anhieb geklappt. So instruiert konnte Cakewalk bereits beim ersten Start direkt loslegen.

Spur-Ansicht

Cakewalk Oberfläche

Die wichtigste Ansicht ist hier die Spur-Ansicht. Darin sieht man links die Parameter der Spur (Nummer, Aktivität, Name, Quelle, Port, jetzt eben auch Effekt und alles was man wissen muss). Rechts sieht man die Clips, die den Sequences in Logic bzw. den Parts in Cubase entsprechen. Es handelt sich also um skalier- und verschiebbare Balken, die MIDI- oder Audioinformationen enthalten. Ein Stück kann über diese Clips also grafisch arrangiert werden. Auf Wunsch werden alle wichtigen Daten als Grafik (MIDI/Audio-Events, Controller etc.) im Clip angezeigt. Dies lässt sich auch ausschalten um Ressourcen frei zu geben.
Auf den ersten Blick scheint dieser Bildschirmaufbau gerade im Vergleich zu Logic und Cubase die einfachere und intuitivere Variante zu sein. Es führt auch zweifellos dazu, dass man sofort durchblickt und auch loslegen kann. In der Praxis hat man aber nicht den wirklich besten Überblick über die Spur. Zwar kann man die Spurparameter im linken Fenster anordnen wie man will und den Rahmen auch verschieben. Aber eine optimale Lösung zwischen Übersicht über die Parameter und Übersicht über die Clips scheint sich kaum finden zu lassen (zumindest nicht auf dem verwendeten 17"-Monitor).
Ansonsten kann man in dieser Ansicht alle wichtigen Dinge mit den Clips anstellen. Alle denkbaren Markierungsmöglichkeiten sind hier verwirklicht. Zwei Dinge fallen aber eher negativ auf: Zum einen beginnen die MIDI-Clips immer erst da, wo man auch angefangen hat aufzunehmen, also am Punkt des ersten MIDI-Events. Das führt zu leichten Ungereimtheiten z.B. beim Kopieren und Einfügen. Man muss immer darauf achten, dass man nicht nur den Clip, sondern den ganzen Takt markiert. Allerdings lassen sich diese Dinge recht einfach über die verschiedenen Einfüge-Möglichkeiten regulieren. So ist man nicht gezwungen, immer nur am Taktanfang einzufügen.
Der andere Punkt ist, dass man nicht für jeden Clip einzeln nicht-destruktive Parameter wie Quantisierung einstellen kann. Zwar gibt es einen MIDI-Effekt "Quantisierung" der in Echtzeit nicht-destruktiv wirkt, aber dieses Plug-In bezieht sich dann immer auf die ganze Spur, da man es nur bei den Spurparametern global aktivieren kann. Quantisiert man Clip für Clip, so wird die Quantisierung hineingerechnet und muss, falls man sie wieder loswerden will, aufwändig über den Rückgängig-Befehl entfernt werden. Dieser bietet durch seine "History" aber wenigstens eine sehr gute Bedienbarkeit.

Die Editor-Ansichten

Dazu zählen z.B. die Piano-Roll oder Wave-Ansicht sowie die Event-Ansicht, in der wie üblich alle MIDI-Events als Liste angezeigt und verändert werden können. Hier bleibt kein Wunsch offen. In diesen Belangen kann sich Cakewalk problemlos neben den "großen Deutschen" einreihen. Hier eine exakte Beschreibung aller Editiermöglichkeiten abzuliefern, würde diesen Rahmen sprengen. Kurz gesagt: Nichts fehlt, und es bleiben keine größeren Wünsche offen.

Die Konsol-Ansicht

KonsoleDamit ist das Mischpult gemeint. Wie schon erwähnt, hat sich hier die Optik wesentlich verbessert. Dadurch sind nun einige Dinge wie Einfügen von Plug-In-Effekten deutlich leichter zu handhaben. Der Mixer ist übersichtlich und gut zu bedienen. Die Elemente sprechen sehr schnell auf ihre Bedienung an. Dies gilt übrigens für das ganze Programm. Stumm- oder Solo-Schalter reagieren prompt, und auch die Mixer-Fader machen ihren Job schnell und ohne große Verzögerungen. Allerdings ging auch hier die Performance meines Systems recht schnell in die Knie. Dazu aber später mehr.

Video-Einbindung

Cakewalk bietet eine sehr unkomplizierte und leicht zu bedienende Video-Einbindung der Formate AVI, MPEG und QuickTime. Hat man eine Video-Datei importiert, so läuft sie in einem variabel großen Extrafenster ab. Dabei kann man sich die zur Synchronisation nötigen Daten und Zeiten mit anzeigen lassen. Dabei wird u.a. "Chase Lock" zu SMPTE-Timecode framegenau synchronisiert. Selbst ich, der ich noch nie mit Video am Computer gearbeitet habe, verstand recht schnell, wie so eine Synchronisation zu funktionieren hat.

Notation

Den üblichen Gag, dass es noch immer Musiker geben soll, die Noten lesen können, will ich mir an dieser Stelle sparen. Auf alle Fälle bietet Cakewalk auch eine Notations-Ansicht. Hier kann man sich nicht nur seine Musik in Notenschrift ausdrucken lassen, sondern natürlich auch munter daran herum editieren. Hierfür ist die Ansicht durchaus geeignet. Wer aber komplexe Notationsarbeit zu erledigen hat, der sollte doch auf extra hierfür spezialisierte Software zurück greifen. Cakewalk ist hier nur für einfache Aufgaben gewappnet. Aber man kann durchaus flott und leicht mal eben seine Musik aufs Papier bannen. Um den restlichen Bandmitgliedern das Einstudieren der eigenen Kompositionen zu erleichtern reicht so ein Ausdruck allemal aus. Gerade hierfür dürfte sich die nun integrierte Tabulatur-Darstellung gut eignen, da Gitarristen ja bekanntlich nicht so die großen Notenkenner sind ("Noten, für was denn? Habt Ihr schon gewusst, dass Eric Clapton auch keine Noten lesen kann?") ;-).

Effekte

In der heutigen Musikwelt wird ja bekanntlich viel Wert auf das Virtuelle Studio gelegt. Dazu gehört natürlich auch eine gewisse Ausstattung mit Effekt-Plug-Ins. Zuerst sollte man erwähnen, dass Cakewalk diese Aufgabe nicht nur für Audio-Daten meistert, sondern auch MIDI-Effekte integriert sind. Das klingt jetzt zwar toller als es ist, aber das ist eben die Art und Weise, wie Pro Audio Dinge wie Arpeggiator, Delay etc. für MIDI verwirklicht. Das Ganze lässt sich dann auch als gutes Konzept an, denn gerade erwähnte Effekte lassen sich so leicht und trotzdem umfassend verwirklichen, ohne in zeitraubende Programmierorgien abzudriften.

Nun aber zu den DirectX Effekten. Cakewalk hat hier auf die Erfindung einer eigenen Schnittstelle verzichtet. Dafür können bisher aber nur DirectX-Plug-Ins integriert werden (es gibt aber Tricks, zumindest VST-Plugs zu verwenden). Das erste Augenmerk sollte man mal auf die Effekt-Auswahl werfen. Hier muss man Pro Audio einen dicken Minuspunkt erteilen. Man hat nämlich vergessen, dem Programm die allseits benötigten Dynamik-Effekte zu gönnen. Wahrscheinlich hängt das damit zusammen, dass Cakewalk selbst drei DirectX-Effekt-Pakete anbietet. Darunter eben auch eines mit Dynamics. Meiner Meinung nach sollte der Anwender dafür aber nicht noch mal zusätzliche DM 358,- ausgeben müssen. Zwar wäre er dann immer noch weit unter dem Preis eines Logic Platinum, dafür können die Effekte in ihrer Qualität aber auch nicht mit denen von Emagic mithalten. Die mitgelieferten Effekte kann man aber dennoch als gut bezeichnen.

Schön sind die Benutzeroberflächen der Effekte nicht anzuschauen, dafür aber praktisch und gut zu bedienen. Nur beim Reverb fehlten mir ein paar Parameter. Als ich versuchte, aus dem Wizoo Guide FX einen Hall nachzuprogrammieren, um ein gutes Vergleichsmedium zu haben, scheiterte ich kläglich. Übliche Parameter, wie man sie in jedem Multieffektgerät findet, fehlen hier gänzlich. Die mitgelieferten Presets klingen aber dennoch ziemlich gut. Außerdem sind sie recht Performance-schonend. Mein "Minimalsystem" schaffte immerhin fünf Audio-Spuren (Gesang, also keine Loops) mit drei Echtzeit-Reverbs. Dies scheint jetzt nicht so gigantisch. Wenn man aber bedenkt, dass das empfohlene System mindestens ein 300er Pentium ist, kann man nicht nörgeln.
Auch die übrigen Effekte sind durchaus von sehr brauchbarer Qualität. Gitarristen dürften sich schließlich über die Dreingabe eines der drei zusätzlich zu erwerbenden Effekt-Pakete in dessen Lite-Version freuen. Hier finden sich die Simulationen einiger der wichtigsten Amps. Zuletzt bleibt zu erwähnen, dass die Effekte, um Ressourcen frei zu geben, natürlich auch auf das Material draufgerechnet werden können. Aber diese destruktive Anwendung von Effekten gehört schließlich zum Standard.

An dieser Stelle sind die beiden neuen MIDI-Plug-Ins Style Enhancer und Session Drummer zu erwähnen. Zunächst zum Style Enhancer: Diesen MIDI-Effekt hat sich Cakewalk bei einer Fremdfirma eingekauft. Es handelt sich um ein Plug-In, das bestimmte Spuren mit dem ihnen innewohnenden Stil versieht. Hier sind Bässe, Orgeln, Gitarren, Drums u.s.w. mit im Paket. Der Sinn soll sein, dass solche Spuren in Zukunft echter klingen, auch wenn man mit der richtigen Einspieltechnik über das Keyboard nicht vertraut ist. Ich finde, dass dieser StyleEnhancer ein wundervolles Spielzeug ist. Gerade bei recht "einfachen" Dingen wie Bässen lässt sich damit ohne Probleme ein netter Erfolg erzielen. Zwar muss noch lange kein Bassist um seinen Job bangen, aber ich war ganz angetan wie sehr meine läppische Bass-Spur plötzlich nach Fretless klang. Jeder Effekt ist hier kurz beschrieben und mit den Eckdaten seines optimalen Einsatzes wie Geschwindigkeit und Notenlängen versehen. Was mir den Spaß etwas getrübt hat, war die fehlende Übersetzung ins Deutsche und dass sich in der normalen Pro Audio 9-Version nur eine Art Schnupperpackung befindet. Will man den "richtigen" StyleEnhancer und noch drei ganze Pakete voller neuer Styles nutzen, so muss man ihn sich für 49 $ aus dem Netz herunter laden. Auch die zusätzlichen Styles, die man dort käuflich erwerben kann, laufen nicht mit dem mitgelieferten Plug-In. Schade. Und noch eine kleine Nörgelei, die Leute interessieren dürfte, die ihre MIDI-Kapazitäten bereits voll ausnutzen: Diese draufgerechneten Effekte sind nichts anderes als Controller-Daten. Wenn man sich also seinen Fretless frei Haus berechnen lässt, so ist die Spur bis oben hin mit Controllern vollgepackt. Trotzdem, nett klingen tut das. Und es lässt sich klanglich schön in Stücke integrieren.
Der Session Drummer dagegen ist nicht mehr als ein mäßig nettes Spielzeug. Es handelt sich dabei um einen MIDI-Drumcomputer. Man kann sich aus verschiedenen Stilen einen aussuchen und dann unterschiedliche Variationen, Fill Ins, Intros etc. zu einem Song zusammen bauen. Diese Stile sind nichts anderes als Standard MIDI-Files, wodurch es natürlich einfach ist, eigene Patterns hinzu zu fügen. Das Handbuch verspricht einem besonders lebendige Drum-Pattern, weil sie angeblich von echten Schlagzeugern über MIDI-Drumsets eingespielt wurden. Das Ganze klingt natürlich schon etwas natürlicher als das, was der unerfahrene Programmierer mit seinen Händen aus dem Keyboard holen kann. Umgehauen vor Groove hat es mich aber nicht. Die Sounds sind natürlich (weil eben MIDI) frei zuweisbar, was dem Ganzen noch eine Menge Variationen mehr beschert. Was ich mir aber gewünscht hätte, wäre eine Oberfläche à la B.Box gewesen, mit der man sich Pattern selbst programmieren kann. Alleine wegen diesem Plug-In lohnt sich das Update also nicht.

Was dem einen sein Environment...

...das ist dem Kuchen-Gänger seine StudioWare. Okay, ich gebe es zu, der Vergleich ist etwas übertrieben. Die Flexibilität eines Logic-Environment kann ein StudioWare-Panel aus Cakewalk nicht erreichen. Aber trotzdem ist dies eine wirklich schöne Sache. Mit den StudioWare Panels, die man sich selbst zusammenbasteln kann und die sich vor allen Dingen auch graphisch schön gestalten lassen, ist der Anwender in der Lage, seinem virtuellen Studio ein ganzes Stück näher zu kommen. So ein Panel dient dazu, MIDI-Geräte über deren verschiedenste Kontroll-Möglichkeiten zu steuern. Dazu bedient man sich der unterschiedlichsten Datentypen wie Noten, Controller, Patch-Wechsel, Aftertouch, RPN, NRPN, SysEx u.s.w.. Mit im Lieferumfang sind schon einige Panels für gängige Geräte. Außerdem finden sich im Internet jede Menge dieser kleinen Helfer.
Die Erstellung eines solchen Panels ist sehr einfach, und so kann sich jeder seine eigenen Kontrollmöglichkeiten schaffen bis hin zu kompletten Soundeditoren. Veränderungen lassen sich aufzeichnen und somit neben der normalen Mischpultautomation der Konsol-Ansicht auch Automationen aller möglichen anderen Daten erstellen. Für das, was sie machen sollen, sind die StudioWare Panels sehr gut geeignet und brauchen sich zumindest vor Cubase nicht mehr zu verstecken.

CAL

Schon seit DOS-Tagen beinhaltet Cakewalk die Programmiersprache CAL (Cakewalk Application Language). Damit lassen sich Events verarbeiten, mit denen Cakewalk durch selbstdefinierte Bearbeitungsbefehle erweitert werden kann. Auch hier werden jede Menge Programme mitgeliefert, die durchaus nützlich sein können. Aber alleine die Möglichkeit einer eigenen Programmiersprache erhöht natürlich die Flexibilität der Anwendung gewaltig. CAL ist sicher ein Feature, das Cakewalk-User schon immer als eines der herausragenden Merkmale ihres Programms betrachtet haben. Und dies durchaus zu Recht. Allerdings braucht man schon ein wenig Programmiererfahrung und einige Geduld, um sinnvolle Anwendungen erstellen zu können.

Performance

Bis zum Schluss kämpfte ich mit systeminternen Problemen, die mir eine Synchronisation zwischen MIDI und Audio erschwerten. Nach ausgiebigen Tests und vor allem Vergleichen mit genau gleich aufgebauten anderen Systemen bin ich aber zu dem Schluss gekommen, dass dies nicht das Problem von ProAudio 9 war. Trotzdem kann ich eine Aussage über die Performance machen. Cakewalk reagiert erstaunlich schnell auf die Bewegung von Fadern, Knöpfen u.s.w. Außerdem ist die Belastung selbst meines Minimalsystems relativ gering. Ich schaffte es, in ein Stück mit fünf Audio-Spuren noch 3 Echtzeit-Reverbs einzubinden. Dann zeigte mir die CPU-Auslastungsanzeige einen Wert von 55-60%, und die Bedienung des Programms hinkte nicht hinterher. Das mag jetzt doch etwas wenig klingen. Dazu gebe ich aber zu bedenken, dass kaum noch jemand mit einem solch langsamen System arbeitet wie ich es benutzt habe. Zwar bin ich auch gegen den MHz-Wahn, aber um vernünftig HD-Recording zu betreiben, reicht ein P200 MMX auch bei den anderen Sequenzern nicht zu viel mehr.
Ansonsten kann ich nur sagen, dass Cakewalk sehr stabil ist. Seit ich dieses Programm benutze, hatte ich noch keinen nennenswerten Absturz. Das kann ich nicht einmal von meiner Textverarbeitung behaupten. Somit also ein dicker Stabilitäts-Punkt.

An dieser Stelle muss man noch auf einen Punkt eingehen, der an Cakewalk zu kritisieren ist. Was dem Sequenzer völlig fehlt, ist die Möglichkeit, schnelle ASIO-Treiber zu verwenden. Da können die Amerikaner lange die neue Wave-Pipe-Technologie entwickeln, an die kurzen Latenzzeiten eines ASIO unterstützten Gerätes kommen sie nicht heran. Dies ist jetzt vielleicht auch der Punkt, an dem man überhaupt über die Möglichkeiten Cakewalks, mit verschiedenen Schnittstellen zu arbeiten, reden sollte. Lange habe ich mir überlegt, ob ich dies kritisieren soll, denn der Wust von VST-Instruments, Logic-Samplern und eigenen Plug-In-Formaten war ja lange Zeit kaum zu durchschauen. Doch die Zeiten haben sich hier etwas geändert. Nicht nur, dass die beiden deutschen Hersteller begonnen haben, die "gegnerischen" Formate zu unterstützten. Diese Weiterentwicklungen der Hersteller führen immer mehr zu absolut bemerkenswerten Instrumenten und Werkzeugen. Man denke nur an den EXS24 von Emagic und die erwähnten VST-Instruments. Hier hinkt Cakewalk, zumindest wenn man in die Zukunft blickt, mit seiner reinen DirectX-Unterstützung doch hinterher. Außerdem zeichnet sich immer deutlicher ab, dass z.B. die VST-Instruments die kostengünstigere (weil oft umsonst angebotene) Alternative sind. Wenn Cakewalk hier über seinen Schatten springen könnte und die etablierten Schnittstellen einbinden würde, brächte das einen technologischen Sprung nach vorne. Ist nur die Frage, ob bei derartigen Lizenzgeschichten der günstige Preis gehalten werden könnte.

Handbuch

Auch das sollte in einem Test nicht unerwähnt bleiben. Mit im Cakewalk-Paket liegt ein 616 Seiten starkes, als Paperback gebundenes Handbuch. Dieser Wälzer ist inhaltlich sehr gut gegliedert und ähnelt beinahe schon einem Lehrbuch. Das Layout ist übersichtlich, und die Arbeit mit dem Buch gestaltet sich sehr einfach. Insgesamt ist auch die sprachliche Qualität durchaus als gut zu bezeichnen, obwohl man an einigen Stellen sehr stark die Übersetzung aus dem Englischen merkt. Z.T. wurden einzelne Worte nicht übersetzt. Für das Handbuch gebührt Cakewalk dennoch ein dickes Lob.
Auch die mitgelieferten Tutorial-Videos (auf Englisch) sind nett gemacht und für den totalen Einsteiger durchaus zu empfehlen. Die durchgehend deutschen Hilfstexte im Programm stellen beinahe das komplette Handbuch dar. Somit erspart man sich während der Arbeit den Gang zum Bücherregal. Auch lobenswert.

In der Praxis

Cakewalk ist der Sequenzer mit dem besten Mehrspur-Band-Feeling. Der Neuling findet sich hier sehr schnell zurecht. Auch in die weiterführenden Funktionen kommt man schnell hinein. Dies liegt sicherlich daran, dass man als alter Windows-Nutzer sich sofort zurecht findet. Das Look-and-Feel von Cakewalk ist hier wirklich sehr Windows-konform. Ich halte den Sequenzer für eine sehr gute Lösung, wenn man Pop/Rock-Produktionen anstrebt. Leute wie ich, die aus einer Band kommen, fühlen sich in Cakewalk gleich wohl. Das Einzige, was mir in der täglichen Praxis nicht so gut gefällt, sind die fehlenden Bildschirmsettings (siehe Vergleichstest) und die Schwierigkeit, die Fenster optimal auf dem Bildschirm zu verteilen. Der oben angesprochene Kritikpunkt, dass sich Clips nur destruktiv einzeln bearbeiten lassen, fällt in der Praxis gar nicht mehr so sehr ins Gewicht. Trotzdem ist es ein Minus wert, weil es Flexibilität doch etwas einschränkt.

Fazit

Cakewalk ProAudio 9 ist ein sehr potenter MIDI- und Audio-Sequenzer, der sich auf keinen Fall vor seiner deutschen Konkurrenz verstecken muss. Die MIDI-Funktionen sind sehr ausgewachsen, und auch der Audio-Teil ist wirklich professionell. Da Cakewalk seinen Sequenzer in den letzten Jahren kaum grundsätzlich geändert hat, fallen ein paar Dinge auf, die man im Vergleich mit Cubase und Logic besser machen könnte. So z.B. das recht umständliche Kopieren und Einfügen. Hier könnte man sich etwas mehr Bedienkomfort wie z.B. eine einfache Loop-Funktion wünschen. Trotzdem gibt es nur wenig an alltäglichen Aufgaben, was dieses Programm nicht schnell und zuverlässig erledigen kann.
Neben den ausgewachsenen MIDI- und Audio-Funktionen sind positiv auch das Vorhandensein der StudioWare, von CAL und von ein paar gitarristenfreundlichen Features wie Griffbrett-Ansicht, Tabulatur-Darstellung und Stimmgerät zu erwähnen. Wenn wir am Loben sind, so fallen außerdem ordentlich klingende, Performance-schonende Audio-Plug-Ins auf. Hier sollten allerdings dringend noch Dynamic-Effekte nachgerüstet werden. Das Fehlen dieser lebenswichtigen Effekte ist ein dickes Versäumnis.
Der MIDI-Style-Enhancer ist wiederum als sehr gelungene Zugabe zur Version 9 anzumerken. Überhaupt hat man mit dem Sprung von Version 8 auf 9 einiges komfortabler und runder gemacht. Dabei ist das Design nicht nur zu Gunsten der besseren Optik verschönert worden, sondern man hat nun gerade in der Konsol-Ansicht eine bessere Übersicht und Bedienbarkeit. Die Möglichkeit, Stereo-Spuren aufnehmen zu können, ist nun endlich auch in Cakewalk integriert worden. Dies war vielleicht das letzte der ganz großen Versäumnisse der Programmierer. Dafür ist man mit der Exportmöglichkeit der eigenen Musik als MP3 oder RealAudio anderen Produkten bereits einen Schritt voraus. Ob beim Update gleich ein ganzer Versionssprung nötig war, ist zwar fraglich, aber die Version 9 ist der Version 8 durchaus in vielen Dingen überlegen, was ein Update schmackhaft macht. Hier fällt dem einen oder anderen vielleicht der recht hohe Updatepreis von DM 228,- auf. Aber eine gründliche Überlegung nach Abwägung der neuen Funktionen lohnt sich auf alle Fälle.
Das Preis-Leistungs-Verhältnis bei Neuanschaffung ist dagegen hervorragend. Für unter DM 600,- bekommt man ein absolut professionelles Programm. Außerdem bietet der deutsche Vertrieb Klemm-Music sehr günstige Schülerversionen an und hat derzeit sogar eine Aktion laufen, bei der Schulen für lumpige DM 30,- 12 (!) Cakewalk-Lizenzen erwerben können.
Zu kritisieren bleibt am Ende nur noch die fehlende ASIO- sowie Fremdschnittstellen-Unterstütznung.
Wer also einen ausgewachsenen MIDI-Audio-Sequenzer sucht und auf das coolere Aussehen und die modernere Bedienbarkeit von Logic und Cubase verzichten kann, der bekommt mit Cakewalk ein Produkt, das sich nicht im Geringsten hinter seiner Konkurrenz verstecken muss. Nur schade, dass die Verbreitung des Programms in Europa und damit der Support nur sehr schleppend vonstatten gehen.

Pro

  • Ausgewachsene MIDI- und Audio-Funktionen
  • Stabilität
  • Gute, Performance schonende MIDI- und Audio-Effekte
  • Unterstützung von MP3 und Real-Audio
  • Gutes Handbuch sowie sehr gute deutsche Hilfstexte
  • Eigene Programmiersprache CAL
  • StudioWare Panels
  • Gitarristenfreundliche Features
  • sehr gutes Preis-/Leistungsverhältnis

Kontra

  • Fehlende Dynamik-Effekte
  • Keine Einbindung von ASIO und Fremdschnittstellen
  • Umständliches Kopieren und Einfügen
  • Keine Clip-bezogenen, nichtdestruktive Effekte

Demoversion herunterladen
Weiterführende Links bei MEMI:

Weitere Links zum Thema:

Weitere Tests bei MEMIs Equipment & Recording Klemm Music (Cakewalk-Vetrieb)
MEMI Makers Link-Datenbank Cakewalk.com (Herstellerseite)
MEMI bietet Tipps & Tricks fürs Homerecording! Cakewalk.de (User- und Supportseite)
Tools und Sounds gibts bei den Downloads.

Autor: Andreas Baum, 18.12.2000 Ein Service von MEMI.